Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gehwegschäden

Gehwegschäden

Titel: Gehwegschäden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Kuhn
Vom Netzwerk:
Düsseldorf, München, Zürich, Doha. Architektur, Innenarchitektur, Städtebau. Generalplanerleistungen, Sanierung und Restaurierung. Ausgewogenes Verhältnis zwischen innovativen Konzepten und praxisbewusster Realisierung unter Beachtung ökonomischer und ökologischer Vorgaben. Architektur, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Also wirklich, reiner Zufall, dass mein Vater hier der Architekt ist.
    Im 5. OG wieder das Bild einer Mondlandschaft. Afrikanische und hispanische Arbeiter spachteln den schwarzen Teer vom Boden. Mit Flammenwerfern erhitzen sie die klebrige Masse und schaben sie mit langen Messern auf. Sie singen und sie schwatzen, irgendwo klingt Salsa aus einem Recorder.
    »Die Kubis? Irgendeine Abrisstruppe. Subunternehmer vom Subunternehmer, was weiß ich. Nächste Woche müssen die draußen sein, und da sind die auch draußen, da rückt nämlich die nächste Truppe an.«
    Berg hält sich ein Taschentuch vor den Mund.
    »Also 18 Hotelsuiten in diesem Geschoss. Eigentlich müsste das alles hier vollkommen abgedichtet werden. Aber na ja. Wolln mal nicht so sein.«
    Keiner der Kubaner und Afrikaner trägt eine Atemmaske.
    »Hola«, sagt Frantz.
    Einer der Arbeiter grüßt zurück.
    »Hola.«
    »Hier war die Kantine«, sagt Berg im sechsten Stock. »Auch Suiten.«
    Der Raum ist offen und hell. Vor den Fenstern erkennt Frantz die Balustrade, die sich um den Bau schmiegt.
    Berg sieht auf die Uhr. Er drängt Frantz zurück ins Treppenhaus.
    7. OG.
    »Da kommt dann die große Bar hin. Der Private Dining Room, Glaskühlschränke für Weiß- und Rotweine, offene Kamine, Game-Bereich. Alles Top-Designer. Englischer Stil mit alten Sesseln, original, und rund um die Bar Edelholzplanken, die jahrelang von Meerwasser gewaschen wurden. Nächsten Monat fangen wir an, Mitglieder zu werben.«
    Vom Dach aus hat man einen herrlichen Blick über die Stadt. Frantz genießt die Sonne, die klare Sicht auf den Alexanderplatz, der Turm scheint zum Greifen nah. Da sitzt ein Kubaner, Rücken an die Wand gelehnt, und döst, trotz der Kälte. Ein friedliches Bild. Der geschäftsführende Gesellschafter tritt ihm vor den Fuß. Der Mann erschrickt und sieht auf.
    »Nächste Woche raus! Du fertig! Dann Rohbauarbeiten.«
    »Si, si.«
    Frantz zuckt zusammen. Er zögert einen Moment. War es hier nicht angebracht, dem Kubaner irgendwie zur Seite zu stehen? Er plustert sich kurz vor dem geschäftsführenden Gesellschaftszwerg auf und wirft ihm einen strengen Blick zu. Berg weicht mit einem Sidestep aus. Er nestelt an seiner Krawatte.
    »Die sollen sich eben beeilen.«
    15.34 Uhr.
    Unten bohrt der Bagger seine Schaufel in den Schutt. Frantz und Berg gelangen zu einem hinteren Ausgang. Berg scheint es immer mehr zu drängen. Vor der Tür liegt ein Haufen Stromkabel. Frantz drückt sie mit den Händen auf und schiebt so den Haufen ein Stück beiseite. Berg springt weg und hinaus. Draußen betrachtet er seinen Anzug. Er flucht. Dann blickt er auf das Kabelgewirr und schüttelt den Kopf.
    »Diese DDR. Was hier wohl alles abgehört wurde. Das sollte man echt aufheben, den Salat. Das ist echte Informationsgeschichte.«
    Der geschäftsführende Gesellschafter drückt Frantz verschmitzt die Hand. 15.47 Uhr. Er versucht, seine Schuhe mit einem Fensterleder zu reinigen, steigt in seinen schwarzen Brontosaurus, rollt rückwärts auf die Torstraße und fährt davon, 15.48 Uhr.
    Frantz bleibt eine Weile in der Toreinfahrt stehen. Er geht noch einmal zurück in den Hof, beobachtet den Bagger, geht hinaus auf die Straße und blickt auf das Haus, über dessen Baugerüst sich ein Werbebanner von Hugo Boss spannt. Es ist nicht gerecht, dass dieses Haus so endet, denkt Frantz. Als hätte man ihm seine Geschichte von den Wänden gerissen und ein Hugo-Boss-Plakat darübergeklebt. Das stößt ihm auf. Das weckt seinen Kampfeswillen. Er ist ein gewissenhafter Mensch. Es geht hier um seine Arbeit. Er will das richtig machen, ordentlich, er weiß, die Sache ist noch nicht rund. Er ist aufgewühlt, aber die Story ist halbgar.
    Ein paar Tage später ruft er wieder bei den Architekten an. Das nächste Mal werden sie ihm einen Bauhistoriker schicken.

5. Frantz und Fred sitzen auf einer Bank vor den Schwarzwaldstuben. Vor ihnen steht kein Tisch
    Die Sonne schien in Frantzens Bier, als er das Glas an die Lippen hob. Thomas Frantz saß mit Fred auf der Bank vor den Schwarzwaldstuben an der Ecke Linien- und Tucholskystraße. An einem der ersten Frühlingstage schien

Weitere Kostenlose Bücher