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Gehwegschäden

Gehwegschäden

Titel: Gehwegschäden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Kuhn
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Fernseher aus. Er verzweifelt noch einen Moment auf dem Sofa, bekommt wieder Hunger, erinnert sich daran, dass er noch portionierte Steaks vom türkischen Metzger im Gefrierfach hat, falsches Entrecote, das kostet die Hälfte, er umarmt Marie-France, küsst sie zärtlich auf Lippen und Nase und fährt mit dem Fahrrad zufrieden nach Haus.

14. Ein Stromkonzern ist kein Kreditinstitut. Frantz trifft einen netten Kundendienstmitarbeiter und sieht jetzt alles anders
    Früher einmal, in der guten alten Zeit, da stand man noch gegen die Macht des Staates. Allein, als Teil der Masse, Terrorist oder Kanonenfutter. Als Thomas Frantz sein Fahrrad an einem Verkehrsschild vor dem Kundenzentrum des Stromkonzerns ankettet, weicht seine Wut mit einem Mal einer beklemmenden Nachdenklichkeit.
    Hier steht der Einzelne der Gewalt eines Konzerns gegenüber. Dieser schröpft ihn, nimmt ihn aus, erleichtert ihn, zieht ihn über den Leisten, lutscht ihn aus, barbiert ihn über den Löffel, meiert ihn ab und bumst ihn anal ohne Kondom. Frantz betrachtet das Gebäude in der Nürnberger Straße. Eine der guten Adressen in der City, keinen Steinwurf weit vom KaDeWe. Das Gebäude hat mit der Übernahme durch einen schwedischen Energiekonzern einen gelben Anstrich wie eine amorphe Keule erhalten. Vor der Tür stehen zwei muskulöse Männer in Uniform. Die Uniform besteht aus einem schwarzen Anzug. Sie rauchen. Auf den Brustschildern der Typen liest Frantz das Wort Security. Der Raum ist mit Licht durchflutet und von transparenter Großzügigkeit. Hintereinander sind Schalter angeordnet. Quader mit brusthohen gläsernen Trennwänden. Hinter jeder Scheibe sitzt ein Mensch. Es ist angenehm kühl, der moderne Mensch ist in allen Bereichen des Lebens dieser Temperatur ausgesetzt. Über den Menschen hängen digitale Anzeigen. Man muss eine Nummer ziehen. Im Grunde kann er sich gar nicht entziehen, es sei denn, er lebte in einem Wald in einem Erdloch und nährte sich von Beeren und Wurzeln, jedenfalls so lange, bis ihn jemand dort herausholte und in ein hygienischeres Loch steckte. Die vorherrschende Farbe auch im Inneren des Gebäudes ist gelb.
    Frantz geht zum Informationsschalter und trägt sein Anliegen vor. Die Dame gibt ihm eine Nummer. Sie ist sehr nett. Die beiden Sicherheitsbullen beenden ihre Zigarettenpause und kommen zur Tür herein. Sie stellen sich breitbeinig in die Mitte des Riesenraums und verschränken ihre Arme hinter ihren Rücken. Sie beobachten Frantz, der in diesem Moment der einzige Delinquent in der hangargroßen Halle zu sein scheint. Sie stehen mittendrin wie bissige Pitbulls.
    »Aber Sie haben doch Glück, Sie sind ja sofort dran«, sagt die Dame. Sie ist wirklich nett.
    Frantz bedankt sich artig. Schalter drei.
    Frantz tritt in den Schalterraum ein. Er begreift sofort: Dies ist der Beginn eines Lernprozesses für Primaten. Versucht der Einzelne, sich über das Verhalten des Konzerns bei diesem zu beschweren, verhungert er in der geruchslosen Asepsis zwischen Callcentern, Kundenbetreuungszentren, Rechnungs- und Rechtsabteilungen sowie der Exekutive der Inkasso-Anwälte und der mit ihnen verbündeten Staatsgewalt. Frantz hört eine warme weibliche Stimme. Wir sind ein führendes Energieunternehmen. Entdecken Sie uns, sagt die warme Stimme. Wir unterstützen Ihren geschäftlichen Erfolg. Wir bieten umfassende Energielösungen für Gewerbe- und Industriekunden, sagt die warme Stimme. Der Mann steht hinter seinem Schaltertisch auf und begrüßt Frantz mit Handschlag, als sei er ein alter Kumpel. Er bittet ihn, Platz zu nehmen. Der Mann, etwa Mitte dreißig, wie Frantz schätzt, hat dunkle Haare. Der Mensch wird quasi per Zufallsgenerator irgendeinem unterbezahlten und verängstigten anderen Einzelnen in einem Kundenzentrum oder einem Callcenter in irgendeiner anderen Stadt zugeteilt. Diesem kann er nicht lange böse sein. Denn der hat das Unrecht ganz offensichtlich nicht begangen. Schon bei seinem nächsten Versuch landet der Einzelne bei einem anderen Würstchen und in einem anderen Callcenter. Berkant, liest Frantz auf dem Brustschild des Mannes. Frantz blickt sich um. Einige der Schaltermenschen sind Farbige, am Ende der Reihe trägt eine junge Frau ein Kopftuch. Frantz kramt seine Unterlagen hervor. Wir bieten günstige und attraktive Stromprodukte für vielfältige Ansprüche. Wechseln Sie jetzt und erhalten Sie unsere einmalige Bonusleistung, hört Frantz die warme Stimme. Er hat alles vorbereitet. Der Mann tippt

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