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Gehwegschäden

Gehwegschäden

Titel: Gehwegschäden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Kuhn
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pflegen Kirschwälder in Japan und siedeln vom Aussterben bedrohte Glühwürmchen an. Sie bauen Inseln im arabischen Golf und sichern das Überleben von Millionen pakistanischer Sklavenarbeiter. Sie tun absolut nichts Unrechtes. Sie spenden Geld. Sie gründen Stiftungen. Es sind Philanthropen. Nette, gut aussehende Kerle, Pärch! – der Mistkäfer verzieht das Gesicht, als wolle er auf den Boden spucken, der Museumsheinrich kommt zurück, tuff, tuff, tuff, Ansgar stürzt seinen letzten Schluck und schultert die Tasche, zwölf Minuten, das ist hier geltende Philosophie, Eiszeit. Wir kriegen eine Eiszeit, Ansgar rollt seine Schmutzkugel zur Tür, schlägt den Kragen auf und hebt die Hand. Investiere in Jack-Wolfskin-Aktien. Warme Anoraks, mein persönlicher Tagestipp, Mahlzeit und tschüs.

16. Ein Sohar gehört in jedes Haus. Frantz recherchiert bei den Kabbalisten, fühlt sich nicht recht wohl, Und täglich grüßt das Murmeltier
    Inzwischen könnte Thomas Frantz den Raum schon malen, müde, wie er ist. Den Gummibaum hinter dem Flipchart, die meditativen Poster an den Wänden, Wasserfälle und Wiesen, ganz reizend, die alten Resopaltische und durchgesessenen Freischwinger auf blauem Filz. Der kleine Mann mit den flinken Augen hinter den Brillenrändern läuft wie ein Frettchen mit Kugelbauch vor seinem Tisch auf und ab. Darauf seine alte Mappe, das rotsamtene Deckchen und der siebenarmige Leuchter. Er trägt wieder seine Jeans und das karierte Jackett mit Lederpatches an den Ellenbogen. Am Gürtel hängt ein altmodischer Kassettenrecorder wie ein Colt. Es sieht aus, als würde er jeden Moment ziehen. Er kennt keine Gnade. Er schneidet seine Worte mit. Der Israeli, dessen Kippa ihn als frommen Juden ausweist, kennt keine Pause. Er unterstreicht seine Worte heftig mit den Händen.
    Es bricht die letzte Stunde des Kurses Kabbala I an.
    »Unser Ziel ist der Sohar in jedem Haus. Überall auf der Welt. Wir kämpfen gegen die Dunkelheit, und jetzt ist die Zeit, dass die ganze Welt die Kraft der Kabbala benutzt und Licht empfängt«, doziert der Israeli.
    Er bleibt stehen und blickt mit diesen flinken Augen in die Runde. Alles ganz gewöhnliche Leute. Alles stinknormale Gestalten im zweiten Stock des Vor-Atlantis-Ex-Zeitlos-Zentrums, Akazienstraße 28, Montag Tag der offenen Tür im Heilzentrum mit Kindertantra und Mantrasingen, Dienstag Gedanken an Mutter Erde, Mittwoch Basis orientalische Tanzelemente und Kombination, Freitag Yoga-Flow und Conscious-Touch-Fortbildung, Samstag Schuh- und rauchfreie Party mit Chill-out-Zone, Kissen und Matratzen, vegetarisches Vollwertbuffet.
    »Mit euch und dem nächsten Anfängerkurs machen wir ein Kabbala-Center in Berlin auf. Möglichst viele Menschen sollen kommen, bringt bloß alle eure Freunde mit.«
    Der Israeli grinst.
    Da sitzt Thomas Frantz jetzt schon seit Wochen auf seinem durchgesessenen Stuhl. Er hat den Auftrag von der Jüdischen angenommen, diese merkwürdige Kabbalistentruppe aufs Korn zu nehmen, die da aus Amerika nach Europa drängt und sich überall breitmacht. Dreihundertfünfzig Euro. Das absolute Maximum für eine Seite drei, und Frantz ärgert sich grün, weil er dafür jetzt schon so viele Stunden hier rumsitzt, mit An- und Abfahrradfahrt noch mal Zeit investiert hat, und schreiben muss er’s ja auch noch.
    »Wonach sucht ihr eigentlich?«
    Das tut der Israeli ständig. Er stellt Fragen, die er sogleich selbst beantwortet.
    »Glück? Erkenntnis? Sicherheit? Liebe? Geld? Ja, selbstverständlich, Geld gehört dazu. Besser reich und gesund als arm und krank. Das alles ist Licht. Die erste Regel lautet: Alles, was wir wollen, ist Licht. Und Licht kostet Geld.«
    Samirah, Hans, das Ehepaar. Beide um die fünfzig. Beide aufgehübscht mit blonden Strähnchen im exakt gleich langen Haar. Beide braun gebrannt, exakt im gleichen Ton; käserund, er wie sie. Echte Hackfressen. Er: Unternehmensberater der windigsten Sorte. Sie: seine rechte Hand. Echte Hingucker, alle beide. Er: Z4 kobaltblau. Sie: Mini Cabrio Brit flag. Wir wünschen uns sehnlichst ein Kind. Rustico auf Malle. Egal wie.
    Double D: Kerstin. Reisekauffrau, Anfang dreißig, maulfaul. Stumme Leidenschaft: Tango Argentino. Unglaublich großer Busen. Zweimal die Woche lässt sie sich zur Milonga im Ballhaus Rixdorf professionell übers Parkett schieben. Sensationell dicke Titten. Langes brünettes Fadenhaar. Teiggesicht, rahmenlose Designerbrille. Absolute Hammerhupen. Leichter Münchner Akzent, unfassbare Big

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