Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gehwegschäden

Gehwegschäden

Titel: Gehwegschäden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Kuhn
Vom Netzwerk:
Wissenschaftsjournalist. Radio, Stundenfeatures. Knabbert am Existenzminimum. Radhelm, aus Prinzip. Stützstrumpfträger. Der sechste Sinn: Über Tiertelepathie und die Irritation der Wissenschaft. RWTH-Preis der Universität Aachen für Fuzzy Logic – Ein Report über krauses Denken oder die Logik der Unschärfe. Totalveganer. Dumpsterdiver, aus Prinzip: taucht in Müllcontainer der Supermärkte und lebt von Obst und Gemüse, das er darin findet. Alles frisch, alles gut. Eine richtige Volksbewegung ist das. Macht echt Spaß. Ein richtiger Volkssport aus den USA ist das.
    Stephanauskas. Akkreditiert bei der Bundespressekonferenz. Homme de lettres. 74, Lette, Thomas-Mann-Spezialist. Einziger Thomas-Mann-Biograph Lettlands. Einziger lettischer Bekannter der Thomas-Mann-Tochter Erika. Einziger Hüter der Thomas-Mann-Stiftung Lettlands (es ist das einzige Landhaus Lettlands, in dem Thomas Mann einen Sommer verbrachte).
    Mariechen ist die Jüngste. Anfang zwanzig, Kettenraucherin, Kichererbse. Lange, lackierte Fingernägel, Literaturdiplom, Lispeln. Stöckelschuhe, rosa Strümpfe, Minifellfummel. Erscheint an diesem Donnerstag zum ersten Mal in einer Hose. Vielmehr in einem weißen, welligen, abgesteppten und durchsichtigen Beinkleid wie eine ADO-Gardine mit Goldkante. Ich weiß also gar nicht, was ihr wollt. Als ich’s bei Woolworth gekauft habe, stand drauf: Hose.
    In der Woche darauf meldet sich Uwe. Er habe täglich mehrfach die 72 Namen Gottes gescannt. Seine Frau sei plötzlich von unmöglichen Unterhaltsforderungen abgerückt, und auch ein weiteres familiäres Problem habe sich wie von selbst gelöst.
    »Ich weiß nicht wie, aber es hat funktioniert.« Uwe zuckt mit den Schultern.
    Rudolf offenbart, seit Beginn des Kurses habe er sehr viel mehr Selbstvertrauen. Samirah berichtet, eine Zyste in ihrer Unterleibsregion habe sich spontan zurückgebildet. Warum hat Frantz auf einmal Appetit auf Linsensuppe?
    An dieser Stelle spricht der Israeli vom kabbalistischen Konzept des Tikun. Was aus dem Hebräischen übersetzt so viel heißt wie Korrektur. Der Israeli verzichtet auf eine weitere Ausführung. Er bezeichnet Tikun einfach als metaphysische DNA. Das klingt logisch.
    »Denn im Anfang war das Licht, und dann haben wir Zimzum gemacht, was heißt zusammenziehen, und sind in der Welt des Chaos gelandet. Der Mensch kommt auf die Welt, um die metaphysische DNA, seinen vorbestimmten Film zu ändern …«
    Er dreht den Kopf und lugt listig über die Brille.
    »… und in einen anderen Film zu wechseln, der besser ist. Kennt ihr den Film Und täglich grüßt das Murmeltier ? Ein Mann, der jeden Morgen aufwacht und den gleichen Tag erlebt? In diesem Film seid ihr.«
    Betroffenes Schweigen.
    »Fakt!«
    Mariechen kichert.
    »Am Sonntag könnt ihr teilhaben an der Rosch-Chodesch-Veranstaltung. Das ist der erste Tag des hebräischen Monats, Neumond, und an diesem Tag ist es sehr leicht, sich mit dem Licht zu verbinden.«
    Alle tragen sich auf Sarahs Liste ein. Achtundzwanzig Euro, im Voraus. Mariechen geht raus, eine rauchen.
    Am Sonntag steht eine junge Frau neben Frantz am Bücherstand und blättert in einer Ausgabe des Sohar. Über vierzig Bände. Über fünfzig Menschen sind gekommen. Das Ehepaar, Uwe, Double D, Rudolf und der Rektaltrinker. Einige Münchner Kabbalisten sind da und Leute aus Hannover. Die Frau neben Frantz ist Mitte dreißig. Sie hat einen kurzen Pony und trägt ein Gänseblümchen aus Plastik über dem rechten Ohr.
    »Ich habe nun den ersten Kurs schon vor Monaten gemacht. Belege demnächst den zweiten. Habe alle Bücher von diesem Rabbi Berg gekauft, die es auf Deutsch gibt. Sie sind ja nicht ganz billig«, sagt sie.
    »Ich habe mich nun mit Astrologie beschäftigt. Dann habe ich nun in der Buchhandlung etwas über Kabbala gefunden und einen Flyer vom Center gesehen«, sagt die Frau mit der Gänseblume im Ohr.
    »Nun bringe ich eine Freundin mit. Es ist ja Wissenschaft, keine Religion. Kommst du morgen in die Sohar-Klasse?«
    Frantz verneint. Die Frau mit der Gänseblume wendet sich einem jungen Mann zu. Er steht hinter dem Büchertisch.
    »Wie lange bist du denn schon dabei?«
    »Zwei Jahre. Mit dreiundzwanzig habe ich angefangen.«
    »Und welche Kurse hast du besucht?«
    »Eins und zwei. Jetzt mach ich den Baum des Lebens.«
    »Kann man das dann schon? Ich dachte, da kommt erst drei, vier und fünf?«
    »Das Basiswissen dazu hat man dann.«
    »Und wie lange dauert der Baum des Lebens?«
    »Die

Weitere Kostenlose Bücher