Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geier (German Edition)

Geier (German Edition)

Titel: Geier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
Vom Netzwerk:
schon halb, als ich ein Knacken hörte. Ich machte die Augen auf und sah im grellbunten Brettherstellerlogo direkt vor meiner Nase ein daumendickes, kreisrundes Loch. Im selben Moment hörte ich den Knall. In meiner Panik ließ ich mich von der Planke fallen, rutschte unter Wasser und blieb erst mal da.
     
    Leck mich am Arsch! Was soll den das? Ich war völlig baff. Da schießt einer auf mich. Ich griff den winzigen Kiel meines Surfbrettes, drehte es herum, und schob es über meinen Kopf. Meine Nase streckte ich vorsichtig aus dem Wasser und schwamm noch ein Stück weiter raus, das Brett im Schlepptau.
     
    Wer immer auf mich gefeuert hatte, er tat´s nicht mehr. Weder hörte noch sah ich irgendein Indiz dafür, dass ich noch unter Beschuss war. Dass ich es gewesen war, daran bestand für mich überhaupt kein Zweifel. Der Treffer wäre um Haaresbreite ein Volltreffer geworden – vielleicht zwei Zentimeter fehlten, um meine Schädeldecke zu lüften.
     
    Ich blieb im Wasser bis ich derart fror, dass alles klapperte. Das Atmen tat mir weh, die Gelenke waren steif, so durchkühlt war ich. Also ließ ich mich im Sonnenuntergang an den Strand treiben. Weit entfernt von meinem Zeug – meiner Decke, meinem Radio, der Kühlbox mit dem Bier, das ich jetzt so gern gehabt hätte. Ich war südlich Strikers, fast schon in den Dünen von Nipomo, und da blieb ich erst mal. Heute brachte mich keiner nach Hause. Ich ignorierte Durst und Hunger.
     
    Ich trug mein Brett hinter eine der lang gestreckten Dünen im Offroad-Gelände und machte es mir dort bequem. Jedenfalls so bequem es ging. Ich konnte nicht einschlafen, ich hatte kein Licht, ich konnte nur darüber nachdenken, wie beschissen ich dran war. Das nächste Telefon war mit Sicherheit vier Kilometer entfernt, außerdem hatte ich weder Kleingeld noch Kleidung; der dämliche Gummianzug hat natürlich keine Taschen. Also blieb mir keine Wahl. Ich faltete die Arme über der Brust gegen die Kälte der Nacht und zwang mich dazu, einzuschlafen.
     
    Der Schlaf taugte nicht viel – logisch. Die Sonne kam gerade über den Bergen im Osten hoch, als ich zum letzten Mal in dieser unbequemen Nacht aufwachte. Auf der Düne neben mir saß eine Möwe und glotzte mich hungrig an. Ich griff nach ihr, aber sie war schneller. Ließ im Steigflug noch ein Grämmchen weißlich-grauer Scheiße fallen, die mich um Haaresbreite verfehlte.
     
    Der Sand klebte an meinem feuchten Gummianzug, das Brett war kalt und ich kam mir vor wie durch die Mangel gedreht. Hunger und Durst hatte ich, Kopfweh, die Knochen taten mir weh von der Feuchtigkeit und Kälte, und ich musste in diesem miesen Zustand nach Hause marschieren.
    Zwei Stunden war ich wohl unterwegs. Die letzten fünfhundert Meter spielte ich Indianer. Weiß Gott, wer auf mich wartete. Ich schlich mich an meine eigene Bude heran. Hatte einen großen Bogen gemacht, kam von der Stadtseite her, ging über die Ecke des Golfplatzes, der meine hintere Grundstücksgrenze bildet, und quetschte mich durch das Loch im Drahtgeflecht, das dort im Eukalyptuswäldchen durch meine dichte Bougainvilleahecke verläuft. Eine ganze Weile saß ich im Blattwerk, umrahmt von roten Blüten und Kolibris zu Tode erschreckend, aber es rührte sich nichts. Soweit ich sehen und hören konnte.
     
    Endlich fasste ich Mut und ging um mein Mobile Home, die Treppe hoch und zur Haustür. Die Sonne schien direkt ins große Fenster, bestrahlte meine Veranda und ließ die leichten Kratzer aufleuchten, die jemand in der Messingumrandung meines Türschlosses hinterlassen hatte. Frische Kratzer. Kein Zweifel.
     
    Ich verpisste mich erst mal wieder, diesmal auf die Querseite mit dem Klofenster. Das war wie immer halb offen. Ich stand im Gebüsch und horchte, bestimmt eine Viertelstunde. Aber nichts war zu hören. Vorsichtig stieg ich ins Klofenster, kroch unter der hochgezogenen Guillotine durch und ließ mich fast geräuschlos auf den Boden gleiten. Dann wartete ich, bis ich wieder ruhig atmen konnte, stand auf und ging in mein Wohnzimmer.
     
    Auf den ersten Blick war nichts zu sehen. Wer immer hier drin war wusste, wie man es macht. Die Schubladen unter dem Computer waren eindeutig durchsucht worden, weil ich sie noch nie so penibel aufgeräumt hatte. Mein Bett war zu sorgfältig gemacht, meine Küche sah aus, als habe jemand endlich mal Ordung ins Chaos gebracht. Ich schaltete meinen Computer ein. Der ging auf, als hätte er nicht seit zwei Jahren eine Macke, die mich zwingt, ihn

Weitere Kostenlose Bücher