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Geier (German Edition)

Geier (German Edition)

Titel: Geier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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Landstraße und kümmern sich keinen Deut um den Autoverkehr – jeder weiß doch, dass Ernte ist, überall stehen Schilder, auf denen vor den mexikanischen Fangios gewarnt wird, und wenn sich doch etwas ereignet, dann mischen sich Trauben- und Lebenssaft. Beide sind in diesem Tal dunkelrot.
     
    Jetzt, im Juni, war Totenstille im Tal. Noch trugen die Stöcke nicht, die Frühjahrsarbeit war längst getan, nur gewässert werden musste und gelegentlich kontrolliert, ob der Weinstock vom gefürchteten Glassy Winged Sharpshooter befallen war – in welchem Fall nicht nur die Ernte, sondern die ganze Anpflanzung futsch war – oder ob alles seinen geregelten, von Gott gewollten Gang ging. Als ich vom Freeway abbog und die Stowell Road in Richtung Tepusquet befuhr, war nur spärlicher Feldarbeiterverkehr auf der Straße.
    Etwa eine Meile vor dem Restaurant geht ein Feldweg links ab, windet sich in halber Höhe um einen der sanften Hügel, die das Nordende des Tales bilden, und führt auf die Hügelkuppe, wo ein Sendemast steht. Ich kannte Weg und Gegend, denn als Curtie für seinen neuerworbenen Rundfunksender nicht einen Cent mehr ausgab als er unbedingt musste, spannte er mich als Aushilfsingenieur ein. Da bin ich einige Male hier hergefahren, um unseren Richtstrahler zu justieren.
     
    Ich stellte die Harley in eine Senke oberhalb der Straße, setzte mich ins Gebüsch, packte mein Zeug aus und begann meine Wacht. Mir war nicht klar, worauf ich achten sollte oder wozu genau ich hier war. Würde sich schon was ergeben.
    Eine gute Stunde tat sich überhaupt nichts. Dann trafen die ersten Gäste zum Abendessen ein. Der Parkplatz vor dem Restaurant füllte sich. Am Wasserturm daneben überstrahlte das rosa Neonschild der Gaststätte das weiche Licht der Abendsonne. Man hörte bis hier hoch Tellergeklapper und gelegentliches Lachen.
    Ankommende Autos begegneten den ersten abfahrenden, in den Restaurantfenstern strahlten die roten Schirme kleiner Tischlampen. Mir wurde kühl. Ich hatte keine Lust, eine zweite Nacht im Freien zu verbringen. Also packte ich mein Zeug wieder ein, schnürte meinen Backpack und stand auf, um heimzufahren. Da hielt eines der ankommenden Autos nicht vor der Kneipe, sondern fuhr neben dem Hauptgebäude vorbei und steuerte im lang gezogenen Wirtschaftshof auf eine Scheune zu.
    Das Scheunentor stand offen, das Auto fuhr hinein, und die Torflügel wurden wie von Geisterhand hinter ihm geschlossen. Ich setzte mich wieder und zog mein Nachtglas aus der Tasche.
     
    Die grelle Restaurantbeleuchtung störte. Das Nachtglas wurde mit dem Lichteinfall nicht fertig – gewaltige Lichtschlieren zogen sich durch das grünliche Bild. Dennoch sah ich die beiden Typen recht deutlich, die neben dem geschlossenen Scheunentor saßen und Geigenkästen auf dem Schoß hatten. Sahen beide aus, als würden sie Rotwein zum Fisch bestellen. Freunde klassischer Musik? Kaum.
     
    Nach zehn Minuten ging das Tor auf. Zwei grellgrüne Scheinwerfer fuhren über den Hof und auf die Straße. Die beiden Typen standen ächzend auf – man hörte nichts, aber sah an ihren steifen Bewegungen, dass es recht kühl sein musste, wenn man lange auf einem Stuhl im Freien saß – und zogen das Tor hinter sich zu. Kurz darauf wiederholte sich das Ganze: Tor auf, Auto rein, zwei dickliche Typen im Anzug mit Geigenkasten raus, Tor zu, Geiger auf Stühlen vor der Scheune.
    Während des seltsamen Schauspieles trafen ständig Hungrige ein, stellten ihre Autos auf dem großen Parkplatz ab, andere kamen heraus und fuhren weg. Diejenigen, die nicht parkten, sondern über den Hof weiterfuhren, fielen vermutlich nicht auf.
     
    Meine Beine schliefen ein. Der kühle Abend ging in eine empfindlich kalte Nacht über. Sternschnuppen leuchteten kurz auf. Auf der Weide nebenan schnaubte ein Pferd. Ich schaute auf die Armbanduhr. Halb zehn.
     
    Bis zehn würde ich warten. Bis dahin wird sich das Restaurant leeren, und der letzte Scheunenbesucher würde vermutlich auch weg sein. Mir war klar, dass der Dinnertrubel eine perfekte Deckung war – nur wofür wusste ich nicht. Also beschloss ich, dem nächsten Auto, das aus der Scheune kam, nachzufahren. Jedenfalls zu versuchen, hinterherzufahren. Bis ich nämlich von hier aus wieder auf der Straße war, würde ich zu tun haben, jemanden einzuholen.
     
    Zehn nach halb. Ich schob die Harley auf den Feldweg und ließ sie langsam hinunterrollen. Den Schuppen konnte ich im Auge behalten, bis ich fast an der Straße war.

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