Geier (German Edition)
Angst, meinen Terror, der im zugigen Schuppen mit der auf Flüsterlautstärke gestellten Gegensprechanlage nur noch wuchs.
Zwischendurch schien es, als sei die Tortur vorüber, denn der Indianer wurde sehr höflich, ließ John Zeit zu antworten, holte ihm sogar ein Glas Wasser aus der Küche, während Kourakos im Haus herumging. Ich hörte ihn ins Studio trampeln, Sachen aufnehmen und wieder hinlegen, hörte ihn Stühle rücken und Standmikrofone verschieben. Hoffentlich sah er das rote Lämpchen am Computer und an der Gegensprechanlage nicht. Aber er suchte wohl irgendwas Bestimmtes, und als er es nicht fand ging er ins Wohnzimmer zurück.
„Höre jetzt auf zu lügen, du dreckiges Drogenschwein“, keifte Kourakos. „Ab sofort spielen wir nicht mehr. Ab jetzt wird nicht mehr gelogen. Nun wird´s Zeit, endlich auszupacken, sonst findet unsere Unterhaltung ein schnelles Ende. Dann belügst du keinen mehr.“
John sagte ihm sehr freundlich und mit trotz Misshandlung fester Stimme, er solle sich selbst ficken.
Mir wurde körperlich übel, als der Indianer sauer wurde. Er zischte seine Fragen, John konnte vor Schmerz und Erschöpfung kaum antworten, und ich bangte in meinem Versteck.
„Ach, Scheiße. Wir verschwenden unsere Zeit mit diesem Penner. Mach ihn kaputt“, befahl Kourakos mit seinem kaum wahrnehmbaren griechischen Akzent. Dann stapfte er hinaus.
„Aber gern doch. Adios, Arschloch!“ freute sich John Running Bear und drückte ab.
In meinem Schuppen kotzte ich mir die Seele aus dem Leib.
10 Franziskaner
Irgendwann wachte ich auf, weil ich furchtbar fror. Raus traute ich mich nicht – es war stockfinster, und ich wusste nicht, ob noch jemand auf dem Gelände war. Zum Glück stand eine halb volle Flasche Wasser neben der Harley. Kekse waren auch da, Schokokekse, von denen ich einige aß. Ich verzog mich hinter das Mischpult, weil dort die Wärme der seit Stunden glühenden Röhren etwas Komfort versprach.
Ich konnte nicht fassen, was ich gehört hatte. Menschen, deren Job es ist, uns Unbedarfte zu schützen, hatten ohne mit der Wimper zu zucken das Leben meines Freundes ausgelöscht. Deutlicher konnte mir meine Situation nicht vor Augen geführt werden.
Ich war auf mich allein gestellt. Man liest ja immer wieder von krummen Cops, von Polizisten, die sich aufgrund ihrer Vertrauensstellung bereichern, aber so etwas passiert immer anderen. Sowas ist immer weit weg, und wenn in Los Angeles vorkommt, dass ein ganzes Revier Dreck am Stecken hat, dass die Cops dort im Verein morden, rauben, dealen und erpressen, dann passiert das eben in einer Gegend, in der kein anständiger Mensch wohnen will. Immer woanders, immer anderen. Tausend Inder auf der gekenterten Fähre. Nie ist man selbst davon betroffen. Bis man mittendrin steckt. Wie ich jetzt.
Ich traute auf einmal keinem Uniformierten mehr. Und nahm an, dass kein Polizist für mich einen Finger krumm machen würde. Ich musste mich absichern.
Erstmal überleben. Im Licht des werdenden Tages schlich ich aus dem Schuppen, überquerte den Schotterweg und machte mich auf Umwegen zum Berggipfel. Dort baute ich eine Art Sonnenschutz aus Tannenzweigen, lehnte ihn an einen Baum im dichten Teil des Waldes und verkroch mich darin. Das Wasser in der Plastikflasche reichte bis zur Dämmerung. Den letzten Keks hatte ich um die Mittagszeit verputzt.
Mir knurrte der Magen, aber ich traute mich nicht, meinen Schlupfwinkel zu verlassen.
Den ganzen Tag war Stille auf dem Grundstück. Nichts war zu hören. Mir fiel sogar der Flügelschlag eines Habichts auf, so still war es. Kein Hund bellte, kein Auto hupte, nichtmal die Brandung war zu hören. Lag vermutlich auch an mir. Ich zitterte trotz der sommerlichen Hitze wie im tiefsten Winter.
Erst, als die Nacht schon zur Hälfte vorüber war, machte ich mich auf den Weg zum Haus. Ich saß eine gute Stunde auf dem Felsen und horchte. Nichts. Zu sehen war sowieso nichts. Die dünne Sichel des zunehmenden Mondes war so unnütz wie eine Nachtfunzel im Kinderzimmer – etwas leuchtete, aber beleuchtet wurde nichts. Es reichte knapp, den Weg zu erkennen.
Ich hatte die Schuhe ausgezogen und um den Hals gehängt, ging neben dem Schotterweg bergab und hatte einen mächtigen Bammel vor Klapperschlangen, die nachts aus ihren Löchern kommen, weil sie wissen, dass um diese Zeit jede Menge Leckerbissen unterwegs sind.
Das Haus machte einen unbewohnten Eindruck. Vermutlich
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