Geier
also 805, „und mache mit der siebenstelligen Nummer weiter.“ Gemacht.
„Und jetzt?“
„Jetzt schaue, ob der Kippschalter am schmalen Ende außen, neben dem Kabel, auf „On“ steht.“
„Tut er.“
„Dann stecke das Ding wieder dorthin, wo du´s rausgezogen hast, fahre nach Hause und schalte das Recordprogramm deines Computers ein. Stelle es auf „Voice“, dann schaltet er sich selbsttätig ein, sobald er eine Stimme hört. Und nimmt alles auf. Du hast mehr Glück als Verstand.“
Hatte ich. War mir auch klar. Jetzt nichts wie weg hier. Ich wünschte ihm noch alles Gute, hauptsächlich für morgen, und einen Gruß an die beiden anderen. Dann trennte ich und räumte hinter mir auf. Fünf Minuten später saß ich im Jeep und fuhr nach Osten, vom Freeway weg, damit ich den beiden Köchen nicht noch in die Quere kam. Einen riesigen Bogen fuhr ich, über Ojai und Ventura, bis zum Highway 101, und von dort auf die Schnelle nach San Miguel. Als ich ankam, wurde es hell. Ich war kein bisschen müde.
Erst machte ich meinen Computer startklar. Schaltete ihn ein, drehte seine Schlafeinstellung auf Dauerwach, prüfte, ob das Programm auf die Leitungsspannung reagierte – was es pfeifend und quietschend tat – und schaltete die Rechnerlautsprecher auf leise, damit mich nicht jede Pizzabestellung der Drogengeier weckte. Dann schlief ich doch noch eine Runde.
Freitagmittag war mir nach Fisch zumute. Nicht wegen meiner katholischen Umgebung, sondern einfach so ein Japp auf frischen Fisch. Vielleicht sogar Sushi, obwohl ich da meine Bedenken hatte. Wir Kalifornier haben ja einen ausgesprochenen Sushifimmel, futtern das rohe Zeug nur so in uns hinein und finden seetangumwickelten kalten, klebrigen, ungesalzenen Reis unglaublich schmackhaft. Was ich noch nie verstand, obwohl ich auch zu der Fraktion gehöre.
Wenn man bedenkt, welch eine ordentlich versaute Küste wir haben, mit den vielen Ölbohrturmen in Sichtweite der Strände, mit Abflussrohren, die hundert Jahre lang ungefiltertes Menschliches in Buchten und über Strände spülte. Einheimische Muscheln, beispielsweise, oder gar Austern, würde ich für alles Geld der Welt nicht in mich reinfressen. Aber Sushi --- hm. Jedenfalls hatte ich beim Aufwachen rohen Fisch auf der Zunge.
Ich stieg in den Jeep, tankte ihn voll und fuhr gemächlich über den Berg nach Morro Bay. Dort ist eine der größten Fischereiflotten der Westküste zu Hause, und dort gibt es zu jeder Jahreszeit den sagenhaftesten, frischsten Fisch, den man sich nur wünschen kann.
Ich setzte mich ins Fisherman´s Hut und bestellte Mahi-Mahi. Gegrillt, und als Vorspeise roh. Vor ein paar Tagen frisch vor Hawaii gefangen und sofort im Flashverfahren tiefgefroren. Was ich sehr schätze.
Der Hafen war wie üblich betriebsam, die Strandpromenade voller Touristen aus aller Welt, der Felsen, dessentwegen das Dorf sich stolz den Beinamen Gibraltar des Pazifik gab, war überlaufen und die Fischbude gerammelt voll. Während ich auf mein Essen wartete, stellte ich meinen Laptop auf den Sitz neben mir und schaltete ihn ein.
Meine Mailbenachrichtigung blinkte. Also machte ich meinen E-Briefkasten auf und freute mich über eine Nachricht von Misty. Sie hätten an der Küste übernachtet, nicht im versauten Tijuana, und würden nach Besuch des Postamtes heute nach Süden fahren, schrieb sie, und wahrscheinlich gegen Abend irgendwo anhalten. Und es sähe alles sehr hübsch aus – an der Küste unterhalb Tijuanas habe sich seit dem neunzehnten Jahrhundert nicht viel verändert. Baja sei noch genauso, wie es ihr Opa immer beschrieben habe. Na, und ob ich mich auch in Acht nehme, und dass sie sich freue, wenn wir uns wieder sehen.
Und noch eine Nachricht. Von Sammy. Ich klickte das Open-Logo, und sein Briefkopf erschien.
Er verfüge ab kommenden Donnerstag über die Mittel, seine Transaktion mit Mrs. Irving über die Bühne zu bringen. Wobei er mit seiner Provision unseres gemeinsamen Unternehmens rechne. Und er hoffe, dass es mir gut gehe. Dass alles nach Plan ablaufe, wolle er mir wünschen. Ich soll Misty doch bitte ausrichten, dass er ab Donnerstag jederzeit bereit sei, mit ihr noch mal zum Grundbuchamt zu gehen und die vollständige Zahlung beglaubigen zu lassen und somit den Eigentumsübergang rechtskräftig werden zu lassen. Oder so ähnlich. Ich kenne mich mit juristischem Fachvokabular nicht so aus.
Na, prima. Scheint ja wirklich alles nach Plan zu laufen. Geht Sammys Wunsch also in Erfüllung.
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