Geisel der Leidenschaft
wir beide je gesehen haben.«
»Ja, vielleicht«, antwortete sie und erwiderte sein Lächeln.
Bevor sie den königlichen Palast erreichten, kam ihnen eine weitere Eskorte entgegen. Verwirrt erkannte sie Alain de Lacville an der Spitze seiner Reiter, in den Farben seines Familienwappens gekleidet. Trotz seines Alters saß er stolz und hoch aufgerichtet im Sattel. Seine markanten Züge mit den tief liegenden braunen Augen wurde von Wellen dichten, silbergrauen Haars umrahmt. Hinter ihm ritt ein Knappe, der das Banner de Lacvilles trug. Freundlich begrüßte der Comte die Männer. Eleanor beobachtete erstaunt, wie warmherzig er Brendans Hand schüttelte.
Dann ritt er zu ihr und verneigte sich galant. »Meine liebe, süße Eleanor!« Forschend betrachtete er ihr Gesicht, als sorgte er sich um ihre Gesundheit. »Willkommen! Jetzt stehst du unter meinem Schutz. Ich hoffe, es geht dir gut.«
»O ja ...« Beinahe versagte ihr die Stimme und ihr Herz krampfte sich schmerzlich zusammen. Er würde sie heiraten, um Clarin zu retten. Und sie hatte ihn betrogen. Er war ein guter, teurer Freund. Aber sie liebte Brendan und diese Liebe würde sie ihr Leben lang verfolgen.
»Du hast eine lange, anstrengende Reise hinter dir. Komm, reiten wir in den Palast. Dort sollst du dich bis zu unserer Hochzeit erholen.«
Im Hof wurden sie von zahlreichen Stallknechten und Lakaien umringt.
»Ruh dich erst einmal in deiner Suite aus.« Alain stieg ab und hob Eleanor aus dem Sattel. »Später wird dich der König empfangen.«
Sie sah sich nach Brendan um. Aber im regen Leben und Treiben, das den Palasthof erfüllte, konnte sie ihn nirgends entdecken.
»Brauchst du etwas, Eleanor?«
»Nein, nein - danke.«
Von den Zofen gefolgt, ließ sie sich in eine grandiose Halle mit hohen Torbögen und seidenen sizilianischen Wandteppichen führen. Alain stieg mit ihr eine breite Treppe hinauf und öffnete eine Doppeltür. Dahinter lag ein geräumiges Schlafgemach. Das Bett mit den kostbaren Seidenvorhängen stand auf einem Podest, der Kamin nahm eine halbe Wand ein. Über einer Kommode hing ein eleganter Spiegel, ein Vorhang schirmte einen Nebenraum ab. Die Fenster gingen zum Hof hinaus.
»Mein armes Kind ...«, seufzte Alain, legte einen Finger unter Eleanors Kinn und schaute ihr in die Augen. »Dein Vater hatte andere Pläne mit dir. Als ich von seinem Tod erfuhr, war ich tief erschüttert. Und du ... Was du auf dich genommen hast ... Bitte, denk stets daran, dass ich dein Freund bin. Niemals würde ich dich verletzen.«
Sie strich gerührt über seine Wange. »Und ich dich genauso wenig ...«
Das hatte sie bereits getan. Selbst wenn er es nicht wusste. Und indem sie ihm untreu geworden war, hatte sie ihre eigene Seele verwundet.
»Mylady! Lady Eleanor!« Bridie rannte aus dem Nebenraum. Impulsiv schlang sie die Arme um ihre Herrin.
»Bridie!«, rief Eleanor und erwiderte die Umarmung.
»Oh, ich hatte solche Angst um Euch! Aber auf dem schottischen Schiff wurde ich sehr gut und höflich behandelt, obwohl ich nur eine Dienerin bin. Sogar dieser schurkische Pirat benahm sich erstaunlich anständig. Und ich hatte gedacht ...«
»Was Ihr dachtet, wäre womöglich geschehen, liebes Mädchen«, fiel Alain der Zofe ins Wort, »hätte es der junge Graham nicht verhindert. Welche Gefahren den Frauen auf dem Meer drohen! Und ich habe nur Gewitterstürme befürchtet... Nun seid ihr beide in Sicherheit. Nur das zählt. Ruh dich jetzt aus, Eleanor. In ein paar Stunden komme ich zurück und bringe dich zum König.« Er küsste die Stirn seiner Braut, dann verließ er das Zimmer.
»O Mylady, ich habe Euch so vermisst!«, seufzte Bridie. »Was für eine aufregende Reise ... Werdet Ihr mir verzeihen, wenn ich Euch sage, dass sich sogar William Wallace anständig verhalten hat? So ein freundlicher, charmanter Mann! Übrigens hat er mich nach den Ereignissen auf Clarin gefragt und beteuert, mit jenen Gräueltaten habe er nichts zu tun. Er sei zwar manchmal grausam gewesen, doch er habe niemals unschuldige Frauen und Kinder getötet. Einmal sperrte er einige Männer in einen Stall und ließ ihn niederbrennen. Aber das waren Soldaten, die ihm eine Falle hatten stellen wollen. Er war davor gewarnt worden ... Oh, meine liebe Lady, Ihr seht erschöpft aus. Jetzt bestelle ich Euch ein heißes Bad, das wird die Schmerzen in Euren müden Knochen lindern.«
»Ja, Bridie, eine wundervolle Idee ...«
»Seid Ihr gut behandelt worden?«
»Erstaunlich gut.«
»O Lady
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