Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)
...“
„Popic.“ Es klang wie ein Donnerhall. „Jetzt kommen Sie mal wieder runter. Wir sind eine klitzekleine Wochenpostille. Wir leben von Anzeigen und schreiben über Jahreshauptversammlungen von Kegelvereinen, Ebbelwei-Königinnen und ...“
„Ich weiß, Chef. Aber ich dachte, das wäre doch ein riesiger Werbegag. Das Sachsehäuser Käsblättche berichtet exklusiv aus dem Vorhof der Hölle ...“
Zurechtweisend: „Popic.“
„Jaja, schon gut. ... berichtet exklusiv aus der Teutonischen Staatsbank, die in der Hand von äußerst brutalen Geiselgangstern...“
Hier schritt Ludger tadelnd ein: „Na, na, na.“
Popics korrigierte Fassung: „... in der Hand eines liebenswürdigen Geiselgangsters ...“
„Popic“, schallte es abermals aus dem Hörer, „wie kann ein Geiselnehmer liebenswürdig sein? Wir sind hier nicht in einer Seifenoper.“
„Weiß ich, Chef, weiß ich ja alles, aber wenn wir die Extra-Ausgabe raus haben ... Klar, Sie müßten erst mal investieren. Aber wenn wir dann eine mehrteilige Serie draus machen, was glauben Sie, wie die uns die Bude einrennen, um bei uns annoncieren zu dürfen.“
„Das könnte sein, aber ...“
„Chef, wer sagt denn immer, das Glück liegt auf der Straße, man muß es nur aufheben?“
„Ja, aber ...“
„Chef, was glauben Sie, was die Bild-Zeitung dafür geben würde, einen ihrer Reporter dort zu haben, wo ich jetzt bin? Und dazu noch die Erlaubnis, nach außen zu berichten.“
„Ja, haben Sie denn einen Bericht?“
Der Kamm schwoll, die Federn plusterten sich. „Natürlich, Chef. Alles schon fix und fertig.“
„Mensch, Popic. Sie sind eine Wucht“, begann sich der Herausgeber des Sachsehäuser Käsblättchens langsam mit dem Gedanken anzufreunden, wenigstens mal kurz mit den großen Hunden der Zunft pinkeln zu dürfen.
„Schon gut, Chef, schon gut. Wollen Sie jetzt den Bericht?“
„Klar, schieß los.“
„Ist natürlich ein bißchen reißerisch ...“
„Natürlich. Ihre Chance, was?“
„Ich fang jetzt an.“
„Ich warte.“
„Die Ausgabe kommt dann morgen raus, ja?“
„Ich leg mich ins Zeug. Jetzt fang endlich an.“
„Gut.“ Und Popic fing endlich an. „Ein Bericht von Dragoslav Popic. Geiseldrama in Dribbdebach. Seit gestern mittag ist die Teutonische Staatsbank am Schweizer Platz Schauplatz eines Banküberfalls mit Geiselnahme. Ein unerschrockener Journalist des Sachsehäuser Käsblättchens befindet sich unter den Geiseln und darf mit gütiger Erlaubnis des Bankräubers die Weltöffentlichkeit von dem dramatischen Geschehen unterrichten. Popic, der letzte Woche für die Titelgeschichte des Blättchens über die Zuschauerausschreitungen bei einem Spiel der vorletzten Amateurliga verantwortlich zeichnete, berichtet, daß der Geiselnehmer 35 Millionen Euro, einen Fluchtwagen und einen Hubschrauber fordert. Seine Bereitschaft zu einer friedlichen Lösung des Konflikts deutete er schon zu Beginn an, indem er etliche Geiseln freiließ, darunter auch zwei Bankangestellte und Menschen, die den Anforderungen nicht gewachsen schienen. Außer der Filialleiterin befindet sich eine noch unbekannte Anzahl von Personen in der Gewalt des Bankräubers – unserem Journalisten vor Ort war es untersagt, darüber genaue Angaben zu machen. Wie Popic weiter berichtet, ist die Lage innerhalb der Bank als stabil zu bezeichnen, den Geiseln gehe es den Umständen entsprechend gut. Für Unruhe sorge lediglich die erkennbar mangelnde Bereitschaft der Polizei, die Frage des Lösegeldes zügig zu behandeln. Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist noch nicht beantwortet, wann die Übergabe des Geldes stattfinden soll. Insoweit ist es auch noch nicht absehbar, wie lange sich die für die Geiseln unerträgliche Situation noch hinzieht. Wie soeben bekannt geworden ist, wurde ein weiteres, hoffentlich klärendes Telefongespräch zwischen Geiselnehmer und Einsatzleitung für sechzehn Uhr anberaumt. Popic hat bislang alle Angebote des Bankräubers auf eine vorzeitige Freilassung abgelehnt, um weiterhin für die werte Leserschaft des Käseblättchens exklusiv berichten zu dürfen.“
„Sie sind mir vielleicht einer“, meinte Ludger augenzwinkernd.
„Schmückwerk ist des Journalisten Handwerkszeug. Steht bei meinem Chef über’m Schreibtisch.“
„Was steht bei mir über’m Schreibtisch?“
„Nix, Chef, nix. Und wie finden Sie die Story?“
„Hätte ich Ihnen so gar nicht zugetraut, Popic.“
„Wie darf ich das verstehen, Chef?“
„War nur
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