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Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)

Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)

Titel: Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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mitgenommen zu werden. Nicht auszudenken, bei diesem Klima die Rucksäcke schleppen zu müssen. Unter Straße dürfe man auch keineswegs Straße verstehen, vielmehr komme der Begriff Schotterpiste mit weltmeisterlicher Schlaglochfrequenz dem schon näher, was ihn, Johnny, aber nicht weiter irritierte, er sei da von Indien her ganz anderes gewohnt. Man habe dann auch nicht lange warten müssen, als auch schon ein für dort unten typischer Laster anhielt und die sich mit ihnen wartenden Indios zu den anderen, schon auf der Ladefläche befindlichen quetschten. Sein Gefährte habe sich auf die Rucksäcke plaziert, während er, Johnny, sich am Mittelholm festhaltend im Stehen über die mannshohe Bordwand die Landschaft anschauen konnte. Das mache er übrigens für sein Leben gern, Landschaften anschauen. Nach etlichen weiteren Haltestellen, wobei zu bemerken sei, eine Haltestelle ist dort, wo man gerade steht oder auszusteigen gedenkt, war das Vehikel dermaßen überfüllt, daß Johnny nur noch mit einem Bein Bodenhaftung hatte. Der Schweiß lief in Strömen, der Staub bedeckte den Körper wie eine zweite Haut. Man fuhr stetig bergan, und irgendwann begannen die Einheimischen, kleine Plastikplanen und aufgerissene Einkaufstüten über ihre Häupter zu spannen. Kurz darauf sei man unter einem eiskalten Wasserfall durchgefahren und er habe gewußt, nachträglich zwar, aber immerhin, wozu all das Plastik gut war. Er allerdings sei zur großen Freude der farbenfroh gekleideten Indios klitschnaß gewesen, was in tropischen Gefilden oft lindernd auf Geist und Körper wirkte, in diesem speziellen Fall aber von Nachteil war, da der Laster sich langsam aber sicher und Serpentine um Serpentine der Schneegrenze näherte. Einen Pullover hatte er zwar dabei, aber der steckte im Rucksack und der wiederum war mittlerweile unter Tausenden und aber Tausenden von Indioleibern begraben. Mein Gott, was muß das für ein Anblick für die auf dem Hochplateau lebende Bergbevölkerung gewesen sein. Er, Johnny, bei Minusgraden im luftigen Shirt als Turm in der Schlacht über die Bordwand sehnsüchtig nach La Paz Ausschau haltend, das man in Bälde zu erreichen gedachte.
    Aha, dachte Herr Schweitzer an dieser Stelle der Erzählung, dieses La Paz liegt doch in Bolivien und ist, obzwar groß, so doch noch lange keine Hauptstadt, wie dieser Schlaumeier Johnny uns weiszumachen versuchte.
    Als man dann endlich am Ziel angekommen war, sei Johnny trotz dieser mörderischen Strapaze überglücklich gewesen, nicht an seines Gefährten Stelle gewesen zu sein, denn auch dieser hatte sich auf dem Rucksack stundenlang nicht bewegen können und war somit dem Fäkaliengeruch einer großen Zahl von Kleinkindern ausgesetzt gewesen. Und später am Abend, als man in einer einschlägigen Szenekneipe für Traveller das Erlebte Revue passieren ließ, habe sein Kumpel ihm gestanden, er hege mit Nachdruck den Verdacht, der abscheuliche Gestank sei nicht ausschließlich durch die Kinder verursacht worden.
    Oma Hoffmann war höflich: „Toll, was Sie alles erleben.“
    Herr Schweitzer schwor sich, bei spätestens München ist Schluß mit Richtung Süden. Wer weiß schon, was einen hinter den Alpen erwartete. Nichts als Ungemach. Ganz sicher.
    Zur gleichen Zeit betraten Heiner Kaschtaschek, seines Zeichens Spezialist für psychologische Konfliktbewältigung beim BKA, und Frau Annie Landvogt, bewandert im Erstellen von Täterprofilen, die gegenüber der Teutonischen Staatsbank im ersten Stock liegende mobile Einsatzzentrale der Polizei. Diese Wohnung Ecke Diesterwegstraße gehörte praktischerweise einem schon vor Ewigkeiten in Rente gegangenen Beamtenehepaar, er ehemals Lehrer der Carl-Schurz-Schule in Sachsenhausen, sie Fremdsprachensekretärin im Frankfurter Rathaus, das den Staat bei jeder sich bietenden Okkasion ob der üppigen Beamtenrente lobpreiste und sich geehrt fühlte, als aufrechte Deutsche ihre vaterländischen Pflichten erfüllen zu dürfen. Nebenbei war so eine Polizeiaktion in der eigenen Wohnung auch eine willkommene Abwechslung im doch nunmehr tristen Alltagseinerlei eines Beamtenehepaars, zumal fast sämtliche ihrer fast gleichaltrigen Freunde inzwischen das Zeitliche gesegnet hatten. Noch vor fünf Jahren waren sie fast ein Dutzend beim Stammtisch in der Apfelweingaststätte Gemaltes Haus, und heute saß man oft alleine vor einem kleinen Bembel Ebbelwei. An dieser Tristesse konnte auch der Wirt, Inbegriff und Hohepriester Sachsenhäuser Gemütlichkeit,

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