Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)
wußte, schaute er hilfesuchend zu Yoko, die ihren Blick zwischen ihrem Freund und dem Bankräuber, der böse dreinblikkend die Stufen herabschritt, hin und her schweifen ließ. Eingedenk der zwei Schüsse war die Lage wieder als prekär einzustufen, zudem offensichtlich nicht alles nach des Bankräubers Plan verlief und man um so nachhaltiger seinen Kapricen ausgeliefert war.
Das Geschluchze nahm an Intensität bedrohlich zu. Herr Schweitzer wagte es aber nicht, etwas zu sagen, da Ludger jetzt, wo er sich sozusagen eingeschossen hatte, gleich bei ihm weiterzumachen belieben könnte. Das wäre dann zwar ein Gewinn für die Ewigen Jagdgründe, aber ein exakt gleichgroßer Verlust für das Diesseits. Folgerichtig mußte sich Herr Schweitzer aufs Immer horche, immer gugge beschränken. Yoko tat ihm leid, die ihren Freund mit tieftraurigen Blicken beschickte.
„Ich kann nämlich auch anders“, erklärte Ludger, als wenn das irgend jemand in Zweifel gezogen hätte. Doch dann sah er die japanische Jammergestalt, die das Gesicht in den Händen vergraben hatte und konvulsiv zuckte, und bekam augenblicklich ein wehes Herz. „Ach Gottchen, was ist das denn?“
„Die Nerven“, diagnostizierte Uzi, „vielleicht aber auch Heimweh.“
Oma Hoffmann: „Das ist doch auch kein Wunder. Da kommt einer von weit her, um in unserem schönen Europa Urlaub zu machen ...“
„Da siehst du, was du wieder angerichtet hast“, geiferte die Filialleiterin. „Herr Trinklein baut nämlich zeit seines Lebens nur Mist.“ Bestätigung erheischen wollend blickte sie in die Runde, doch niemand wagte es, darauf einzugehen.
Yoko machte mit ein paar fahrigen Gesten auf sich aufmerksam. „Can I ...“ Mit schmerzverzerrtem Gesicht blickt sie auf Kogyo.
Ludger Trinklein steckte die Pistole in den Hosenbund, lächelte gequält und gab mit großzügiger Handbewegung zu verstehen, daß er als verständiger Zeitgenosse natürlich nichts dagegen hatte, wenn die Japanerin in diesen schweren Zeiten ihrem Freund beistehen wolle.
Es dauerte einige Minuten bis sich Kogyo wieder beruhigt hatte. „Sorry“, entschuldigte er sich sogleich, und man sah, wie unangenehm es ihm war, seine Gefühle nicht im Zaume gehalten zu haben. Gerade in Japan galt ein derartiger Gefühlsausbruch als Zeichen dafür, daß man im Leben verschissen hatte, eine Schwuchtel war, und daß es an der Zeit sei, wenn nicht gar schon zu spät, endlich den amerikanischen und europäischen Einflüssen Einhalt zu gebieten, andernfalls das Land den Bach runterginge und man sich also besser gleich ein Schwert in den Bauch rammte. Harakiri hieß das in Fachkreisen.
Fasziniert starrte Herr Schweitzer auf das Trost spendende Mädchen und dachte sofort an Maria von der Heide, die jetzt wohl nichtsahnend in ihrem selbstgeschaffenem Zuckerbäckeridyll auf dem Sachsenhäuser Lerchesberg an ihrer neuen Skulptur Siegeszug ad astra arbeitete und keinerlei Ahnung davon hatte, welch unlustigen Schwingungen ihr Liebster im Moment ausgesetzt war.
Kurz darauf meldete sich der Bankräuber wieder zu Wort: „So. Ihr habt’s ja alle mitbekommen, die Polizei glaubt, mir in den linken Schuh pinkeln zu können. Daher wird das Ganze hier noch zwei weitere Stunden dauern. Wenn also jemand seine Angehörigen oder sonstwen anrufen möchte, so kann er dies jetzt tun. Mit Ausnahme ...“, er strahlte wie ein Honigkuchenpferd, „... von Theresa Trinklein-Sparwasser natürlich.“
Neugierig richteten sich die Augen auf die Filialleiterin, wie sie diese Ungleichbehandlung hinnehmen würde.
„Pah“ und „Dämlack“ preßte sie mit nach oben gerichteter Nase zwischen den Lippen hervor.
Als sich niemand meldete, sagte Oma Hoffmann: „Wenn ich vielleicht mal meine Enkelin anrufen könnte. Trixi und ich, wir wollten in den Sinkkasten gehen, und vorher vielleicht noch was essen oder so.“
„Selbstverständlich. Sie wissen ja, wo das Telefon steht. Und wann hier Schluß ist, weiß ich selbst leider noch nicht.“
Oma Hoffmann nickte, stand auf und ging zum Telefon.
Herr Schweitzer war sprachlos. Denn der Sinkkasten war ein stadtbekannter Schuppen in Hibbdebach, also auf der anderen Seite des Mains, wohin es allerlei Jungvolk zu vielerlei Veranstaltungen zog. Er selbst wähnte sich zu alt für ein solch musisches Treiben und war deshalb um so erstaunter, daß es ausgerechnet Frau Hoffmann, die nun wirklich locker anderthalb Dekaden älter war als er, in den Sinkkasten trieb.
„Hang the German
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