Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)
nichts ändern.
Frau Landvogt und Herr Kaschtaschek ließen sich Bericht erstatten. Ein Zeichner hatte nach den Angaben der freigelassenen Geiseln ein mit dem tatsächlichen Ludger Trinklein vollkommen übereinstimmendes Porträt skizziert. Lediglich das hysterische Blondchen vom Lerchesberg hatte darauf beharrt, daß der Bankräuber von herkulischer Statur war und langes schmieriges Haar trug. Man brauchte kein Polizeipsychologe zu sein, um diese Aussage auszusortieren. Der Computer verglich Herrn Trinkleins Konterfei gerade mit der Verbrecherkartei, so was geht ja heutzutage ruckzuck. Des weiteren hatte ein Anruf bei der Zentrale der Teutonischen Staatsbank in der Taunusanlage in Hibbdebach ergeben, daß vor wenigen Tagen erst die Videobänder der Filiale am Schweizer Platz wegen natürlicher Materialermüdung turnusgemäß ausgetauscht worden waren. Im Einklang mit den Zeugenaussagen ging man von einer gewissen Ortskenntnis des Bankräubers aus und hoffte, auf diesen Bändern einen Mann auszumachen, welcher der Skizze ähnlich sah, und der gerade die Örtlichkeiten auskundschaftete. Da darauf jedoch jeweils nur die letzte Betriebsstunde zu sehen war, bedurfte es schon einer Portion Glück, fündig zu werden. Doch Polizeiarbeit war von jeher von Fleiß und Zufall abhängig.
Wenig begeistert von diesen beiden Schickimickibullen war allerdings der Sachsenhäuser Revierleiter Paule Hansen, der einen Besen an Staatsdienern wie diesen gefressen hatte. Kaum Haare am Sack, schon den Mogo machen, pflegte er dann zu sagen. Dem Kommissar, der bislang hier das Sagen gehabt hatte, war er gerne zu Diensten, zumal dieser schon etliche bedeutende Erfolge in der Verbrechensbekämpfung vorzuweisen hatte. Nicht mal der Gekreuzigte hätte Paule Hansen zu einer lustvollen Mitarbeit mit diesen beiden Grünschnäbeln bewegen können. Um seine vermeintliche Unabhängigkeit zu demonstrieren, schickte er seine Mitarbeiter Odilo Sanchez und Frederik Funkal fort, für die Jungs an den Absperrungen Kaffee und belegte Brötchen zu besorgen, die tapfer dem erbarmungslosen Sturm trotzten. Seit dem Eintreffen von Landvogt und Kaschtaschek haßte er seinen Job mal wieder, und er träumte sich nach Hause.
Es ging auf sechzehn Uhr zu. Frau Landvogt war mit ihrem vorläufigen Täterprofil fertig, das mit wissenschaftlich hochtrabenden Worten besagte, daß der Bankräuber, mit dem man es hier zu tun hatte, unberechenbar und daher gefährlich sei.
Paule Hansen faßte es nicht und versuchte, sich einen lammfrommen Verbrecher in Soutane und Jesuslatschen vorzustellen, der zwischen zwei Morden das Evangelium predigte. Irgendwie gelang ihm das nicht ganz, und so fragte er sich, ob es auf der ganzen Welt etwas Überflüssigeres als diese Annie Landvogt geben mochte. Ein Bankräuber, unberechenbar und gefährlich, na so was.
„So. Meine Damen, meine Herren, wenn ich kurz um Ihre Aufmerksamkeit bitten dürfte ...“, begann Herr Kaschtaschek, „gleich werde ich in der Teutonischen Staatsbank anrufen und mit dem Täter Kontakt aufnehmen. So wie es aussieht, wird er dann 35 Millionen Euro fordern. Das Geld ist vor zehn Minuten hier eingetroffen. Bis auf einen kleinen Teil sind die Seriennummern notiert. Ich werde auf Zeit spielen, dann können wir auch die restlichen Nummern notieren.“
„Was ist mit dem Fluchtwagen?“ konnte es sich der Sachsenhäuser Revierleiter Hansen nicht verkneifen.
„Steht bereit. Ebenso der Hubschrauber. Aber ...“, mit theatralischer Geste legte er Frau Landvogt einen Arm um die Schulter, „... soweit ist es bei Kommissarin Landvogt und mir noch nie gekommen. Wie steht’s mit den Präzisionsschützen?“
Ein Nicken des zuständigen Beamten.
„Mit dem Aufnahmegerät?“
Daumen hoch des Technikers.
„Dann mal los.“ Kaschtaschek tippte die Telefonnummer ein.
„Teutonische Staatsbank. Einen schönen guten Tag.“
„Äh, mit wem spreche ich?“
„Ja ei wer spricht denn da?“ fragte Ludger Trinklein in den Hörer, und Herr Schweitzer, der selbst auch gerne flachste, amüsierte sich prächtig.
„Sie sind nicht mehr der von vorhin.“
„Nein. Ich leite die Operation von jetzt an. Kaschtaschek mein Name, Oberkommissar.“
„Wo wird hier operiert, es ist doch noch keiner verletzt?“
„Wieso? Wo? Was?“
„Sie sagten doch, Sie leiten die Operation, Herr Karasek.“
„Kaschtaschek. Nicht Karasek. Karasek ist ein Klassenfeind.“
„Wer ist ein Klassenfeind?“
„Karasek ist ein Klassenfeind. Aber
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