Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)
vermeintliche Gestank gemeint, der Punker und Penner einander erkennen ließ.
Herr Schweitzer bemerkte das Fettnäpfchen, in dem er stand, und besserte nach: „Das ist wohl Joe Strummer, da auf dem Button.“
Uzi beäugte mißtrauisch erst Joe Strummer auf ihrem linken Busen, dann Herrn Schweitzer. „Genau. Woher kennst du den?“
„Den kennt man halt. Joe Strummer, Sänger von The Clash. Gestorben Dezember 2002.“
„Seit wann kennen alte Knacker wie du Joe Strummer?“
Herr Schweitzer tat spielerisch empört: „Na hör mal, so alt bin ich auch wieder nicht. Außerdem bin ich mit den Sex Pistols, den Stranglers und Clash groß geworden. Damals im Theater am Turm die ersten offiziellen Punkkonzerte Frankfurts.“
Uzis Mienenspiel verriet, daß sie gerade Teufel und Gott, oder, wenn man so will, Herrn Schweitzers biederes Erscheinungsbild und Punk in einem Raum unterzubringen hatte. „Da warst du?“ Abgrundtiefe Irritation hatte die Intonation der Silben bestimmt.
„Nicht bei allen Konzerten. Aber bei den Stranglers. Vorgruppe waren damals die Straßenjungs aus Frankfurt. War echt klasse. Leider fanden diese Sessions keine Fortsetzung. Die Stadt war wohl der Meinung, der Kartenverkauf decke das dabei zu Bruch gegangene Mobiliar nicht annähernd.“
Tatsächlich, und das hatte nichts mit Anbiederung zu tun, war Herr Schweitzer bei diesem Konzert gewesen. Ein Kumpel hatte ihn damals mitgeschleppt, und es hatte zwar keinen begeisterten Zuspruch seinerseits gegeben, aber Punk war immer noch besser als einiges, was heute so über den Äther geschickt wurde, war seine aufrichtige Meinung. Bevor Heimatmusik seine Ohren malträtierte, würde er sich eher noch AC/DC reinziehen. Mit seinen inzwischen ja fast schulterlangen Haaren konnte sogar Headbangen wieder ein Thema sein.
Herrn Schweitzer mißtrauisch beäugend erwiderte Uzi: „Du bist ganz schön komisch.“
„Wieso?“
„Eigentlich siehst du aus wie ein Langeweiler ..., so nichtssagend eben.“
Er war gekränkt. Was auch immer man von ihm sagen wollte, Langeweiler war das völlig falsche Wort. Simon Schweitzer selbst hielt sich da eher für einen ausgeprägten Charakterkopf, dem, sobald er auch nur den Mund aufmachte, die Welt andächtig lauschte. Die komische Punkerin sollte da mal besser seine Liebste Maria fragen. Die würde ihr schon erzählen, was für ein toller Hecht er unter anderem in Liebesangelegenheiten war. Speziell was das Kamasutra anging. Aber das gehörte nicht hier her. Sollte die komische Punkerin ihn doch für einen Langeweiler halten, was kümmerte es die deutsche Eiche, wenn die Sau sich an ihr rieb. Er verschwendete sich doch nichts ans Fußvolk, das hatte er beileibe nicht nötig. Herr Schweitzer entschied, erst einmal zu schweigen.
„Heißt das, wir sollen die Nacht hier bleiben?“ fragte kurz darauf die Filialleiterin kampflustig und aus heiterem Himmel. „Ohne mich.“
Da die Frage, wie’s denn nun weitergeht, von allgemeinem Interesse war, richtete sich die Aufmerksamkeit aller auf den Bankräuber.
„Was soll das heißen, ohne dich?“ wollte seinerseits nun Ludger Trinklein wissen.
„Das heißt, ich gehe. Um spätestens halb acht ist Magdalena-Theresa von ihrer Klavierstunde zurück.“
So langsam fehlte nicht nur Herrn Schweitzer der Durchblick. Who the fuck is Magdalena-Theresa? Und was hat deren Klavierunterricht mit dem Banküberfall zu tun?
Der Bankräuber fühlte sich bemüßigt aufzuklären: „Magdalena ist unsere Tochter. Sie ist erst vier, aber musikalisch ein Wunderkind. Alle meine Entchen ... kann sie schon.“ Die Worte trieften von Spott.
„Auf jeden Fall hat sie mehr drauf als ihr Vater, dieser Versager“, wandte sich Frau Trinklein-Sparwasser ebenfalls an die Geiseln, denen die Szene einfach nur peinlich war.
„Dann wirst du wohl deine Mutter anrufen müssen, mein Täubchen, und ihr sagen, daß sie sich mal wieder um ihre Enkelin kümmern darf.“
Böse funkelten der Filialleiterin Augen.
Herr Schweitzer registrierte, Frau Trinklein-Sparwasser war kurz vorm Platzen, doch eingedenk der Terrorherrschaft, die ihr Ex-Gatte nun mal ausübte, blieb ihr nichts anderes übrig, als sich ihrem Schicksal zu fügen.
„Du kannst von Glück reden, wenn dein Herrgott nicht noch Schlimmeres für dich aufgespart hat“, waren Herrn Trinkleins abermals kryptische Worte.
Zur Überraschung der Anwesenden fiel Theresa Trinklein-Sparwasser unvermittelt auf die Knie, bekreuzigte sich nach Katholikenart,
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