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Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)

Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)

Titel: Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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faltete die Hände und fing an zu beten.
    Mit offenem Mund starrte Uzi auf die Szene. „Ich glaub, ich spinne.“
    Yoko und Kogyo blickten sich nach jemanden um, der ihnen vielleicht sagen konnte, ob nun generell eine Betstunde angesagt war.
    Johnny ging das alles am Arsch vorbei, da hatte er vor allem in Indien Härteres erlebt, während Dragoslav Popic eifrig schrieb.
    Oma Hoffmann und Herr Schweitzer bewahrten die Contenance, wenn auch nur mühsam.
    Es war wieder einmal der Bankräuber, der die Aktion interpretierte: „Das hat sie in letzter Zeit öfter.“ Dann näherte er sich der Betenden. „Komm, steh auf, du bigottes Miststück. Von denen hier glaubt dir sowieso keiner.“ Er setzte seinen Fuß auf ihre Schulter und stieß sie um.
    Bis zuletzt hielt sie die Hände gefaltet. Dann klatschte sie auf den Boden. Dabei rutschte ihr Rock bis zur Schamgrenze. In aller Gemütsruhe, so als hätte das Gebet ihr den Weg zum Weltenlenker geebnet, stand sie auf, strich den silbergrau melierten Nadelstreifenrock glatt und funkelte Ludger an: „Und du, du wirst im Fegefeuer schmoren.“
    Natürlich war Herr Schweitzer weit davon entfernt, an solch mystischen Kram zu glauben, doch etwas in der Filialleiterin Stimme ließ sein Blut gefrieren. Und auch Ludger mußte etwas ähnliches gespürt haben, denn er richtete die Beretta 92 mit dem zweiläufigen 15-Schuß-Magazin auf seine Ex, die nur zögerlich zurückwich. Als sie sich wieder gesetzt hatte, atmeten alle auf.
    Herrn Popics Kugelschreiber flog nur so über das Papier.
    Das letzte Licht des Tages war erloschen, und nach wie vor regnete es Bindfäden. Schon seit etlichen Minuten durchsuchte der Bankräuber Trinklein seinen Container nach etwas offenbar Unauffindbarem. Von Zeit zu Zeit stieß er nicht druckreife Flüche aus, bis er endlich einen Packen gelber Zettel in der Hand hielt, den er auch postwendend und lächelnd an die Geiseln verteilte. Es war eine Menükarte der Sachsenhäuser Spezialitätenmetzgerei Pomp.
    Aha, staunte Herr Schweitzer nicht schlecht, als er die seine in der Hand hielt, das lob ich mir doch, auch in Zeiten großer Unruhe und Ungewißheit behielt der Gauner die Dinge im Auge, die das Leben lebenswert machen. Schon beim ersten Gericht, Lammbraten an Bratkartoffeln und Prinzeßböhnchen, begann sein Magen vernehmlich zu knurren. Er hatte Hunger, und das war mit der Menschenwürde der Gefangenen, von der in den Genfer Konventionen permanent die Rede ist, wahrlich unvereinbar. Ludger verstand es also bestens, seine Geiseln im Rahmen der Möglichkeiten bei Laune zu halten. Damit ließe sich später vor Gericht, so es denn dazu kommen würde, ein paar Pluspunkte sammeln. Auch die zweite Hauptspeise, in Weißwein gedünstete Pfifferlinge auf Gemüserisotto, war eine Überlegung wert. Die dritte und letzte Mahlzeit allerdings, Wachteln im Brotteig, war für Herrn Schweitzer nichts als neokulinarischer Scheißdreck, damit konnte man ihn jagen oder das Hausschwein füttern. Als Vorspeise wurde eine französische Zwiebelsuppe und als Dessert ein Fürst-Pückler-Eisbecher offeriert. Wäre da nicht die eingeschränkte Bewegungsfreiheit und die latente Gefahr gewesen, es ließe sich trefflich von einem Schlaraffenland sprechen.
    „Gibt’s auch Pommes Schranke?“ kam es von Uzi.
    Das hatte Ludger so noch nie gehört. „Pommes Schranke?“
    „Logo, Pommes mit Ketchup und Mayo.“
    „Ich denke schon“, antwortete der Bankräuber etwas aus der Fassung gebracht.
    Herr Schweitzer überlegte, ob man der komischen Punkerin, die ihn ja für einen Langeweiler gehaltenhatte, etwa die Geschmacksnerven herausoperiert hatte. Die tickt doch nicht richtig, Pommes Schranke, wie degoutant.
    Spontan hatte sich Simon Schweitzer für den Lammbraten entschieden, getreu dem Motto, der erste Gedanke sei immer der beste. Dann sah er zu Yoko, die ihren Kogyo fragend anschaute. Ach ja, schon wieder Sprachprobleme. Er bat Oma Hoffmann, die sich diesbezüglich unlängst sehr kenntnisreich gezeigt hatte, doch mal kurz die Speisekarte für unsere Gäste zu übersetzen.
    Das tat sie dann auch vorbildlich bis zu dem Wachtelgericht. Hier geriet sie ins Stocken. Nach kurzem Überlegen sprach sie: „It’s a small bird.“
    „Hai“, sagte daraufhin Yoko und meinte damit Ja, denn Hai war die japanische Übersetzung von Ja.
    Hierauf redeten Oma Hoffmann und Herr Schweitzer fast gleichzeitig und vor allem durcheinander. Nein, nein, nein, Hai wäre kein Bird, Hai sei ein Fisch,

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