Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)
spürte das Adrenalin in seinen Adern und wußte nicht, wie er reagieren sollte. Er senkte den Kopf als wäre er müde und konnte so das Handlungsgeschehen durch seine in die Stirn fallenden Haarsträhnen unauffälliger beobachten. Wenn der Traveller, so sein Gedanke, mit der Waffe umgehen konnte, so wäre Ludgers Leben in Kürze keinen Heller mehr wert. Wenn nicht, so könnte es bald ein recht unerquickliches Blutvergießen geben. Und wenn man erst einmal erschossen ist ...
Doch davon wollte Herr Schweitzer nichts wissen. Noch war er ja am Leben. Gebannt starrte er auf Johnnys Hände. Was immer dieser für eine Strategie verfolgte, sie wollte sich ihm nicht erschließen. Warum schoß er denn nicht mit dem silbernen Ding, die Gelegenheit war doch günstig?
Ganz einfach. Weil das silberne Ding ein Flachmann war, wie Herr Schweitzer nun erkannte, da Johnny es mit schalkhaftem Grinsen aufschraubte und einen Teil des Inhalts in seinen Kaffeebecher goß. Der Vorgang war von keinem außer Herrn Schweitzer wahrgenommen worden. In einem Zug leerte Johnny den Becher. Der Ausdruck seiner Gesichtszüge verriet eine innere Zufriedenheit, die fürchten ließ, der alte Weltenbummler werde gleich frohlocken.
Herr Schweitzer atmete tief durch. Zwar war man nach wie vor immer noch nicht auf Rosen gebettet, aber das war allemal besser als versehentlich in Schußlinien zu geraten und hernach mausetot zu sein.
Und während Herr Schweitzer entspannte, erzählte Oma Hoffmann Uzi von einem Karl Moik-Konzert, das sie fast besucht hätte. Eine Freundin hatte schon die Karten. Glücklicherweise war ein paar Tage vorher ein dreiviertelstündiger Bericht über einen Auftritt dieses Herrn in Peking im Fernsehen gesendet worden. Was sie dort gesehen hatte, habe ihr fast die Socken ausgezogen. Ein Härtetest für jeden kultivierten Menschen.
„Wer ist denn dieser Karl Moik?“ fragte Uzi, von dem habe sie noch nie gehört.
Herr Schweitzer schon, aber nur peripher.
Daraufhin erklärte Oma Hoffmann, dieser Moik sei der Inbegriff der Spießbürgerlichkeit und der König der Volksmusik. Dicke-Backen-Musik und jede Menge Humbahumba-Täterä. Man müsse denken, wenn man das gesehen hatte, ältere Menschen hätten samt und sonders schon vor dem Tode mit dem Leben abgeschlossen. Doch, Gott sei’s getrommelt und gepfiffen habe sie diese Sendung gesehen und ganz schnell ihre Eintrittskarte abgestoßen. Nein, sie sei zwar schon über sechzig, aber alles könne man ihr noch nicht vorsetzen, da funktioniere ihr Verstand noch zu gut.
„Und was für Musik hörst du so?“ wollte Uzi nun genauer wissen, die ja schon vorher mit dem Duzen keinerlei Probleme gehabt hatte.
„Ach, der Grönemeyer gefällt mir ganz gut.“
„Ja, der ist okay“, erklärte daraufhin Uzi, die dabei sehr weit über ihren Schatten springen mußte, denn Herbert Grönemeyer ist für einen waschechten Punk eklatant daneben. Doch scheinbar hatten auch diese Spezies lichte Momente, in denen sie sich mühelos in die Gesellschaft integrieren ließen. Auch wenn Herr Schweitzer glaubte, ein Punk müsse doch riechen.
„Fertig“, rief Popic eine halbe Stunde später.
„Fertig mit was?“, fragte Ludger.
„Mit der Fortsetzung des Artikels für das Sachsehäuser Käsblättche.“
„Na, dann geben Sie mal her.“
Artig stand der Journalist mit der rosigen Zukunft auf und überreichte dem Bankräuber das Geschriebene. Der las es durch, während er dann und wann mit dem Kopf nickte, wie dies Lehrer bei Arbeiten ihrer Lieblingsschüler zu tun pflegen.
Herr Schweitzer hätte gerne gewußt, was da so drinstand, und seine Neugier sollte geschwind befriedigt werden, denn Popic wurde es ein weiteres Mal erlaubt, in der Redaktion anzurufen.
„Guten Tag, Sachsehäuser Käsbättchen, Melibocus. Was kann ich für Sie tun?“
„Ich bin’s, Chef.“
„Popic?“
„Ebenjener. Ich ruf an, weil sich wieder eine ganze Menge Dinge ergeben haben. Ich hab’s mal so grob skizziert.“
„Dann schieß mal los.“
„Nein, nicht schießen. Wir alle hier sind froh, wenn nicht geschossen wird.“
„Ach so. Natürlich, war blöd von mir. Ich meinte, fang mal an.“
„Klar, Chef. Also. Die neuesten Nachrichten aus der Teutonischen Staatsbank, die in den frühen Morgenstunden von einem gefährlichen Geiselgangster heimgesucht worden ist, dessen Identität weiterhin nicht gelüftet ist. Dank des todesmutigen Journalisten Dragoslav ...“
„Popic“, schallte es maßregelnd aus dem
Weitere Kostenlose Bücher