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Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)

Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)

Titel: Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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erkennen. Ganz allgemein war zu konstatieren, daß die Sitten lockerer wurden. Dies nun ursächlich auf die Umstände oder das Außergewöhnliche der Situation zu schieben wäre falsch, vielmehr waren solche gruppendynamische Prozesse überall dort zu beobachten, wo Menschen für einen etwas längeren Zeitraum zusammenkamen.
    „Na, na, na, meine Teuerste. Kaffeekochen ist doch nun wirklich nicht zu schwer“, provozierte Ludger genüßlich.
    Doch die Filialleiterin setzte eine Leichenbittermiene auf, verschränkte die Arme, lehnte sich an die Wand und blickte an die Decke.
    Herr Schweitzer transkribierte diese Gebärdensprache dahingehend, daß Frau Trinklein-Sparwasser ihren Ex für einen Satansbraten hielt, sie selbst ums Verrecken keinen Kaffee mehr kochen würde und sie es nachgerade satt hatte, Ludgers Befehlen weiterhin nachzukommen.
    Das verstand Herr Schweitzer, wie er sich überhaupt ausgezeichnet aufs Verstehen verstand. Um der Situation die Schärfe zu nehmen, erbot er sich, den Kaffee zu kochen.
    „Von mir aus“, gab der Geiselnehmer klein bei, denn auch er hatte die Endgültigkeit in der Filialleiterin Weigerung erkannt.
    Als Simon Schweitzer den Kaffee ausschenkte, hörte er Oma Hoffmann sagen: „Wir könnten uns doch duzen.“
    Daraufhin entstand eine Atmosphäre religiöser Weihe, die zu unterbrechen niemand es wagte.
    Oma Hoffmann verwechselte die Ruhe mit peinlicher Berührtheit der Angesprochenen, also fügte sie hinzu: „Ich meine, wo wir doch schon mal alle im selben Boot sitzen.“ Ihr Blick wanderte über die Geiseln.
    Es war der Bankräuber, der als erster das Wort ergriff: „Bei mir verbietet es sich leider von selbst. Ist klar, schließlich bin ich hier so was wie eine Respektsperson. Wenn meine Autorität erst untergraben ist, geht’s hier drunter und drüber.“
    Das leuchtete ein.
    Oma Hoffmann, leicht irritiert: „Nein, natürlich, Sie meinte ich ja auch nicht.“
    Überraschenderweise antwortete Johnny, von dem man schon länger nichts mehr gehört hatte: „Nichts dagegen.“
    Ein zustimmendes Nicken ging daraufhin durch die Runde. Lediglich die Filialleiterin zeigte keinerlei Reaktion. Es fand sich aber niemand, der explizit nachfragte. Herr Schweitzer fand dieses überkandidelte Weibchen mehr und mehr suspekt.
    Zur Probe, wie das Duzen denn nun so ankomme, wandte sich Simon Schweitzer an Dragoslav Popic, der sich weiterhin eifrig als Chronist betätigte: „Magst du noch einen Kaffee?“
    „Gerne. Du.“ Er hielt ihm die Tasse zum Nachfüllen hin. Das Du hatte beabsichtigterweise verdammt schwul geklungen, weswegen Popic grinste und Herr Schweitzer das Grinsen erwiderte, ohne sicher zu sein, ob Popic tatsächlich vom anderen Ufer oder aber nur ein Schabernacktreibender war.
    Derweil stöberte Ludger Trinklein in einem der Säcke, die seine ehemalige Gattin vor einiger Zeit aus dem Tresor geholt hatte, und stapelte Bündel auf Bündel vor sich. Dann pfiff er anerkennend. Mit raschem Blick in die anderen Säcke vergewisserte er sich des Reichtums, der vor seinen Füßen lag. „Wozu braucht ihr hier so viel Kohle? Das sind ja mindestens zwei Millionen Euro.“
    Doch die Filialleiterin beschäftigte sich weiterhin mit ganz persönlichen Kümmernissen und konnte von Ludger nicht erreicht werden.
    Dem war es offenbar egal, denn er hakte nicht nach, sondern setzte sich auf einen Stuhl und schlug die Tageszeitung auf.
    Johnny führte was im Schilde. Das war dem Herrn Schweitzer nicht entgangen, auch wenn bislang lediglich ein hin und her huschender, unsteter Blick davon Zeugnis ablegte. Sogleich fragte sich Herr Schweitzer, was der Herr mit dem Pferdeschwanz vorhaben könnte, aber ihm fiel beim besten Willen nichts ein, das es als Geisel in Zeiten wie diesen zu unternehmen geben könnte. Da aber ihre Schicksale unmittelbar miteinander verknüpft waren, war sein Interesse legitim, zumal er diesen Johnny nicht so richtig einzuschätzen wußte. So galt: Immer horche, immer gugge, zumindest was diesen ans Exzentrische grenzenden Zeitgenossen anging.
    Und richtig. Kaum hatte sich der Geiselnehmer in die Lektüre vertieft, nestelte Johnny an einer der vielen Taschen seiner schlammfarbenen Allwetter-Allzweckjacke herum. Als er sich unbeobachtet fühlte, glitt seine Hand hinein. Triumph spiegelte sich in seinen Augen.
    Herr Schweitzer glaubte, zwischen Johnnys Fingern im Widerschein der Wandbeleuchtung etwas silbrig aufblitzen gesehen zu haben und rechnete verstärkt mit einer Waffe. Er

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