Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)
Amoklauf, bei dem man sich im Jenseits wiederfinden konnte, hätte die Spannung sicherlich länger aufrechterhalten. Doch davon ahnte allenfalls die Einsatzleitung der Polizei etwas. Das sollte sich jedoch bald ändern.
Mit Null zu Null ging es auch in die Pause.
Es war das erste Mal, daß Ludger Trinklein auf Toilette mußte. Ohne weitere Umstände fesselte er die Geiseln mit Handschellen, die er aus den unergründlichen Tiefen seines Containers hervorzauberte. Herr Schweitzer fragte sich, welch mannigfaltige Gerätschaften Ludger noch aus diesem nimmerleeren Füllhorn ans Tageslicht zu befördern vermag. Er selbst war rechter Hand mit Kogyo und linker Hand mit Uzi, die etwas zu ihm herüberrutschen mußte, durch Handschellen verbunden. Doch so, wie die Dinge standen, war an Flucht ohnehin nicht zu denken, die Schiebetür war ja abgeschlossen, und den Schlüssel hatte der Bankräuber. Nur Johnny, von einem kleinen Nickerchen heimgesucht, war von der allgemeinen Handschellenpflicht befreit. Womöglich dachte Trinklein, und lag damit auch völlig richtig, hatte des Travellers bacchantisches Treiben ihm jeden Fluchtgedanken ausgetrieben.
Selbstverständlich, wie hätte es auch anders sein können, wurde die Abwesenheit des Herrn mit der Pistole für einen kurzen Gedankenaustausch genutzt.
„Was glaubt ihr, wie lange wir hier noch festsitzen?“ fragte Oma Hoffmann.
„Ich weiß nicht, aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dem geht’s gar nicht ums Geld“, erwiderte der Journalist Popic, der das Schreiben schon seit einigen Minuten eingestellt hatte.
Gut, dachte Herr Schweitzer, bin ich also nicht der einzige, der hier einiges merkwürdig findet. Und das sagte er auch: „Ich sehe das ähnlich wie Dragoslav. Bleibt nur zu hoffen, daß die Bullen die Gefahr richtig einschätzen und den Laden hier nicht stürmen.“
„Glaubst du echt, die würden das tun? Das wär ja echt voll kraß, Alter.“
Obwohl Herr Schweitzer sich echt nicht voll kraß alt fühlte, überging er Uzis Affront und erklärte: „Ich hoffe nicht, aber die Geschichte lehrt uns, daß stets mit Allem zu rechnen sei.“ Mit diesem Lehrsatz war er sehr zufrieden, deutete er doch auch ein wenig den Philosophen in ihm an. Und wenn er auch nicht der Weisheit letzter Schluß war, so hatte er zumindest Uzi nachhaltig beeindruckt, die sehr mit dem Gesagten beschäftigt war. Das sah man ihr ohne weiteres an.
„Vielleicht kennt die Polizei jetzt wenigstens unsere Namen“, informierte Oma Hoffmann.
Popic: „Wie das?“
„Ich habe sie unauffällig ins Kreuzworträtsel geschrieben.“ Und als es niemand zu verstehen schien, fügte sie hinzu: „Na, ich habe doch vorhin eine Seite aus dem Heft gerissen und in den Abfallkarton geworfen. Da standen unsere Namen drauf.“
Herr Schweitzer und die übrigen Geiseln nickten anerkennend. Auf diese Idee wäre er selbst nie gekommen, mußte er sich eingestehen, obwohl er als Aushilfsdetektiv über ein gerüttelt Maß an Spürsinn verfügte. „Hast du den Namen des Bankräubers auch angegeben?“
„Natürlich.“
Just in dem Augenblick, als Ludger wieder die Treppe herunterkam, blinkte von draußen ein Licht in rhythmischen Intervallen gegen die Glasfront, die mit der Sichtblende zugezogen war.
„Was soll denn das jetzt schon wieder?“
Der Bankräuber schob zwei Lamellen auseinander und blickte nach draußen. Dann ging er zur Schiebetür, stellte sich auf die Fußspitzen, aber auch das reichte nicht, um über das aufgeklebte Packpapier zu lugen. Ergo riß er sich ein kleines Guckloch frei. Sicherheitshalber hatte er die Beretta schußbereit. Auf der Glasscheibe der Ausgangstür erspähte er einen großen, weißen Bogen, auf dem etwas geschrieben stand. Schnell ging er zum Telefon und legte den Hörer auf die Gabel.
Zehn Minuten vorher hatte Oberkommissarin Landvogt fein säuberlich auf weißes Papier geschrieben: Wichtig, wir müssen Sie anrufen. Ein Polizeibeamter in schußsicherer Weste hatte ihn dann an die Tür der Teutonischen Staatsbank geklebt.
Vorausgegangen war ein Briefing, so hieß das jetzt auf Neudeutsch, an dem unter anderen auch der Feuerwehrhauptmann und der General der GSG 9 beteiligt waren, und in dem Oberkommissar Kaschtaschek seine geniale Idee erläutert hatte. Der General, ein Haudegen alter Offiziersschule, hatte die Durchführbarkeit des Plans in dieser nervenaufreibenden Angelegenheit bestätigt. Vielleicht kam er doch noch zu seinem Blitzkrieg. Und überhaupt war er
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