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Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)

Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)

Titel: Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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Feuerwehr“, hieß es.
    „Was wollen die denn von mir?“
    „Die wollen durch die Absperrung, da soll ein Keller vollgelaufen sein.“
    „Gib mal her.“ Kaschtaschek nahm den Hörer und lauschte.
    Er war schon drauf und dran zu sagen, daß ihn ein vollgelaufener Keller einen Scheißdreck interessierte, als ihm ein Gedanke kam. Ein Gedanke wie Poesie. Ein Gedanke so rein und sublim wie er nur den ganz Großen widerfuhr. Zumal besagter Keller sich zufällig neben der Teutonischen Staatsbank befand.
    Er bestellte den Feuerwehrhauptmann zu sich. Auch rief er unverzüglich den General der schnellen Eingreiftruppe an und erklärte ihm seinen Plan. Unaufhaltsam näherte er sich dem Zenit seiner Laufbahn.
    Rot hatte einen Elfmeter zugesprochen bekommen. Wahrscheinlich tobte das Volk, aber der Bankräuber schaute tonlos, das Toben des Volkes war also unhörbar. Der Schütze, Trikotnummer acht, nahm Anlauf, schoß mit dem rechtem Innenrist und versemmelte kläglich. Herr Schweitzer vermutete, daß nach diesem hanebüchenen Schuß in die Wolken das Stadionrund in ein kollektives Barmen und Wehklagen ausgebrochen war, denn Rot war die Heimmannschaft, wie an dem roten Fahnenmeer, das vor dem Elfer noch gewogt hatte, unschwer zu erkennen war.
    Doch Herr Schweitzer hatte, wie gesagt, für Fußball nicht viel übrig. Sein Hintern und diverse Knochen schmerzten ob der Unannehmlichkeiten immer mehr, und so wechselte er alle naslang seine Sitzhaltung. Er betrachtete den Bankräuber, der ihnen halb zugewandt auf dem Stuhl saß und beides, Fernsehapparat und Geiseln, im Blickfeld hatte. Normalerweise wäre Herr Schweitzer um diese Zeit auf ein Schwätzchen in einem seiner vielen Stammlokale gewesen, deren regelmäßige Frequentierung er leidenschaftlich pflegte. Immer horche, immer gugge, lautete ja das allgemeine Credo hier in Dribbdebach, und er hielt sich penibel daran. Kein Apfelweinwirt, der den Schweitzer-Simon nicht kannte. Auch den meisten anderen Gaststättenbetreibern war er geläufig, wenn ihn auch einige nicht beim Namen kannten, so doch zumindest vom Sehen. Kurzum, es war nicht falsch, von Herrn Schweitzer als einer Sachsenhäuser Institution zu sprechen. Und dieser lokalen Institution war es im Augenblick nicht gegeben, zum Beispiel im Weinfaß, seinen gepflegten Dämmerschoppen mit einer nach Altväter Sitte ebenso gepflegten Unterhaltung zu würzen. Statt dessen hing er hier als Geisel rum. Mag es ja anfangs noch recht spannend zugegangen sein, so hatte der Tod doch inzwischen seinen Schrecken verloren. Nein, nicht nur das, auch Langeweile hatte sich breitgemacht. Keine der Geiseln wähnte sich, soweit Herr Schweitzer das beurteilen konnte, noch in Lebensgefahr. Das mag für Außenstehende schwer zu begreifen sein, doch fußt dies auf der Erkenntnis, daß der Mensch von jeher ein Gewohnheitstier und imstande ist, sich blitzschnell an neue Situationen zu gewöhnen. Andernfalls würde sich ja der Pulsschlag sowie der Adrenalinausstoß in Extremlagen über einen längeren Zeitraum auf einem ungesund hohen Level einpendeln und viel öfter zum Tode führen als dies tatsächlich geschieht. Ausnahmen hiervon bilden Menschen, die nicht mehr so gut in Schuß sind oder ebensolche wie das hysterische Blondchen, das von Ludger Trinklein gleich zu Beginn der Aktion wohlweislich aussortiert worden war. Denn auch zur Hysterie neigende Menschen sind, wie jedermann weiß, nicht gerade belastbar.
    Und Herr Schweitzer, dessen körperliche Verfassung sich im üblichen Rahmen hielt, und dem auch keinerlei hysterische Züge nachgesagt werden konnten, hatte schlicht und ergreifend keinen Bock mehr auf diese ihm zugefügte Freiheitsberaubung, denn nichts anderes war es schließlich, eine Beschneidung von kostbarer Freizeit. Den lieben langen Tag nichts als Banküberfall, da konnte einen schon der Überdruß befallen. Für die nächsten Wochen hatte er genügend Gesprächsstoff gesammelt, und so wollte er einfach nur nach Hause. Einstweilen jedoch mußte er sich mit der Gegenwart arrangieren, gleichwohl er wußte, daß diese sich noch hinziehen konnte. Vielleicht hätte es anders ausgesehen, wenn er von der für übermorgen vorgesehenen Verhandlung gegen den Bankräuber gewußt hätte. Dann nämlich hätte ihm deuchten können, daß dieser Bankraub nur deshalb so langweilig war, weil es gar kein Bankraub war. Das wußte er aber nicht, und so ging er weiterhin von einem, wenn auch seltsam anmutenden Banküberfall aus. Ein durchdachter

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