Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)
Fensterfront saßen. Dazu wurden sie entfesselt.
Dieser Umzug kam Herrn Schweitzer sehr zupaß, da er den Platz in der Ecke von Geldschalter und Wand erwischte, und er sich so viel besser anlehnen konnte. Fast augenblicklich wich die bleierne Müdigkeit aus seinen Gliedern und auch die Schultern und die Hinterbackenmuskulatur entkrampften sich. Dafür hatte er nun Johnny zum Nachbarn, der mit der Schwierigkeit kämpfte, sich nach seinem Knockout wieder in der hiesigen Welt zurechtzufinden. Auch brachte ihn das Fehlen der in Sicherheitsverwahrung genommenen Rotweinflasche gehörig durcheinander. Doch Herr Schweitzer war ein umgänglicher Mensch und so reichte er dem Traveller dessen Lebenselixier, der ihm mit einem Lächeln dankte und einen tiefen Schluck nahm, bevor er sie wieder zurückgab.
Das war nun von Herrn Schweitzer gar nicht erwartet worden, er wollte gar nicht trinken, aber jetzt, da er quasi dazu aufgefordert wurde, sagte er sich, was soll’s, hier passiert sowieso nichts mehr, wofür es sich lohnt, wach und nüchtern zu bleiben, und goß sich kräftig einen hinter die Binde. Er spürte wie der Saft Kehle und Speiseröhre wärmte.
Kaum, daß Herr Schweitzer sich gesagt hatte, daß sowieso nichts mehr passierte, knipste Ludger die Deckenbeleuchtung aus und drehte die Wandleuchten mit dem satinierten Glas soweit herunter, daß man vorübergehend fast nichts mehr sah. Das Ganze kam völlig unerwartet, hatten die Geiseln doch mitbekommen, wie sich Ludger am Telefon höflich von der Polizei verabschiedet hatte.
In das angespannte Schweigen hinein rülpste Johnny. „Sorry.“
Dann war das Surren des Elektromotors zu hören, der die Sichtblenden zweieinhalb Meter nach rechts fuhr.
Herr Schweitzer sagte sich, daß dies eine Idiotie in höchster Potenz sei, denn nun konnten die Bullen doch gewiß sehen, was hier drinnen abging. Aber wahrscheinlich sehe ich die Sache falsch, gestand er sich auch umgehend ein, denn erfahrungsgemäß war es unmöglich, von außen in einem dunklen Raum etwas zu erkennen, zumal draußen die Scheinwerfer der beiden Polizeiwagen den Platz weiterhin ausleuchteten. Außerdem waren da noch die Regenschlieren auf der Scheibe, die nach wie vor von den herabstürzenden Wassermassen Nahrung bezogen.
Dann robbte der Bankräuber in professioneller Manier und den schwarzen Bürostuhl als Schutzschild und Sichtschutz vor sich herschiebend an der niedrigen Fensterbank entlang, bis er sich am linken äußersten Rand der letzten Lamelle befand. Dort richtete er sich ein, die Beretta 92 im Anschlag. Die Aufmerksamkeit und das Staunen aller waren ihm gewiß. Es sah aus, als rüstete er zum letzten Gefecht. Die Geiselschar befürchtete, ein Sachsenhäuser Armageddon stünde bevor.
Man soll ja nichts beschönigen, aber die Realität war weit weniger bedrückend als sie aus Sicht der Geiseln momentan schien. Zugegeben, wenn man Ludger so beobachtete, konnte man ohne weiteres vom Schlimmsten ausgehen, dabei hatte er nur ein Auge auf das Tun der Feuerwehr geworfen, die ja nebenan lediglich einem überfluteten Keller zu Leibe rückte.
Bislang hatte er zwölf Feuerwehrleute gezählt, die dem Löschfahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr Sachsenhausen entstiegen waren und zwei schwere Wasserpumpen aus seinem Sichtfeld in Richtung Hauseingang getragen hatten. Die an der Seitenwand des Löschzuges angebrachten Trommeln waren abgespult und die Schläuche von den Männern verlegt worden. Nichts sah anders aus, als es hätte sein sollen.
Vernünftigerweise sprudelte nach weiteren zehn Minuten auch die erste Wasserfontäne aus dem Schlauch, und Ludger Trinklein war es zufrieden. Niemand trieb seinen Schabernack mit ihm. Dachte er.
Das Champions-League-Spiel war beendet und niemand hatte auf das Ergebnis geachtet. Der Bankräuber gab seinen Beobachtungsposten auf und plazierte seinen Stuhl von außen gesehen hinter die mächtige Säule, so konnte er von Zeit zu Zeit einen Blick nach draußen riskieren, ohne befürchten zu müssen, gleich über den Haufen geschossen zu werden. Was das anging, da war er sehr empfindlich.
In der Einsatzleitung herrschte hektische Betriebsamkeit. Einjeder wollte endlich zur Tat schreiten und dementsprechend knisterte die Luft vor Spannung. Frau Blau hatte zum wiederholten Mal Kaffee gekocht. Dafür war man reihum sehr dankbar, denn das braune Gesöff fand als Labsal für die Nerven reißenden Absatz.
Oberkommissar Kaschtaschek und der General standen am Fenster und beobachteten
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