Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)
sehr von Kaschtascheks Wesen angetan. Schnell war man zur Realisierung übergegangen.
Das Auffinden der Rechtsanwälte der beiden Kontrahenten in der Sache Trinklein-Sparwasser gegen Trinklein gestaltete sich schwieriger als erwartet. Der Anwalt der Filialleiterin weilte wegen eines anderen Falles irgendwo in Amerika und der des Bankräubers war nicht auffindbar. Einen Eheberater gab es laut jetzigem Ermittlungsstand nicht. Die Befragung der Nachbarn war noch lange nicht abgeschlossen.
Als am anderen Ende der Hörer abgenommen wurde, war der Oberkommissar kurz versucht, Herrn Trinklein beim Namen zu nennen, ließ es dann aber doch, weil ein aus dem seelischen Gleichgewicht geratener Bankräuber eventuell weniger hilfreich war und zu gesteigertem Unfug neigte.
„Hallo?“
Kaschtaschek: „Spreche ich mit dem Bankräuber?“
„Ja. Was wollen Sie?“
„Hören Sie, im Nebengebäude der Bank ist ein Keller vollgelaufen. Die Feuerwehr ersucht Sie um die Erlaubnis, mit einem Einsatzfahrzeug vorfahren zu dürfen, um das Wasser aus dem Keller zu pumpen.“
Es blieb ruhig am anderen Ende der Leitung.
„Hören Sie, wir befinden uns in einer Notlage, sonst würden wir Sie nicht anrufen. Es geht nämlich um den Heizungskeller, wo das Öl in Kesseln gelagert wird, hat mir die Feuerwehr erklärt. Wenn da was schiefläuft, haben wir noch ein Umweltproblem am Hals.“
„Wer sagt mir, daß das keine Falle ist?“
„Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort. Außerdem können Sie ja die Aktion von sich aus überblicken. Wie könnten wir Sie da reinlegen?“
Was immer man von Ludger sagen mochte, für einen Umweltskandal wollte er nicht geradestehen, schließlich wählte er Grün. So hatte er ein Einsehen: „Okay, aber wenn Sie mich verarschen, mache ich hier kurzen Prozeß, klar?“
„Das wissen wir, Herr ...“ Beinahe hätte er sich verplappert. „... Herr Bankräuber.“
Das zeugte schon von Klasse, wie der Oberkommissar diese Klippe umschifft hatte.
„Und keine Anrufe mehr bis morgen früh. Ich leg den Hörer wieder daneben.“
„Großes Indianerehrenwort.“
„Gute Nacht.“
Klick.
Es war definitiv eine neue Form von Irrsinn, mit der sich die Polizei samt mobiler Einsatztruppe GSG 9 da konfrontiert sah. Eine geschlagene Minute verstrich, in der sich der Stimmungsumschwung endgültig in den Köpfen der Teilnehmer festsetzte. Hatte man vorher den Geiselnehmer durchaus ernst genommen, so glaubte man nun, da man wußte, daß es sich um den Ehemann der Filialleiterin handelte, der zudem noch der Inzucht angeklagt war, leichtes Spiel zu haben. Viel hätte nicht gefehlt und die Champagnerkorken würden bereits knallen. Aber soll man das Fell des Bären verteilen, bevor er erlegt ist? Nein, soll man nicht. Und warum nicht? Das wird man schon noch sehen.
„Und, Herr General, glauben Sie, das haut hin?“ Kaschtaschek konnte es nicht lassen, und mußte sich abermals seiner eigenen Genialität versichern.
„Sicher. Meine Männer sind ohne Fehl und Tadel“, antwortete der General markig.
„Punkt dreiundzwanzig Uhr dann also.“
„Punkt dreiundzwanzig Uhr“, bestätigte der General, auf dessen olivgrünen Kampfanzug sich kein Staubkorn traute. Solche Männer aus altem Schrot und Korn sind in der Moderne selten anzutreffen.
Er sprach in sein Funkgerät: „Alpha Null Korridor. Bitte Kommen.“
„Alpha Null Korridor. Ich höre. Empfang ausgezeichnet.“
„Alpha Null Korridor. Countdown läuft: Sechs, Fünf, Vier, Drei, Zwei, Eins, Zero. Aktion beginnt.“
Wenigstens bei der Bundeswehr herrschte noch Zucht und Ordnung, auch wenn man in letzter Zeit vermehrt Frauen beschäftigte, was zwar der Zucht sehr zuträglich, der Ordnung jedoch abträglich war.
Bei Zero hatte ein rotes Feuerwehrauto, welches in der Diesterwegstraße vor dem Lesecafé in Bereitschaft stand, den Motor angelassen. Ecke Schweizer Platz ließ ein Polizist, der einsam dem Sturm trotzte, das rotweiß gestreifte Absperrband auf den nassen Asphalt sinken, damit das Fahrzeug darüberrollen konnte. Dann schleppten etwas sechzehn Männer, von denen aber nur zwei das Feuerwehrhandwerk von der Pike auf gelernt hatten, Wasserpumpen in das Nachbarhaus der Teutonischen Staatsbank und entrollten meterweise Schläuche.
Ludger Trinklein war, nachdem er den Hörer hingelegt hatte, etwas verunsichert. Irgendwie traute er den Brüdern von der Polizei nicht. Aus taktischen Gründen gruppierte er die Geiseln um, da sie zum Teil vor oder direkt neben der großen
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