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Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co

Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co

Titel: Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douwe Draaisma
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geraten. Vieles aus der Literatur über das Clerambault-Syndrom ist in den letzten zehn, fünfzehn Jahren in den Veröffentlichungen über Stalken aufgegangen.
    >DSM-IV< CODE: 197.1
    Im psychiatrischen Klassifikationssystem DSM-IV (1994) findet sich Erotomanie unter dem Code 197.1: >delusional disorder, ero-tomanic subtype<. 16 Im dazu gehörigen Casebook, einer Sammlung von rund zweihundert Fallbeschreibungen, die in der Praxis häufig verwendet wird, um im handlichen Format ein Bild der Störung zu erhalten, ist unter der Überschrift »Dear Doctor« eine Patientin mit dem Clerambault-Syndrom aufgeführt. 17 >Myrna Field<, eine fünfundfünfzigjährige Serviererin in einer Krankenhauskantine, war plötzlich davon überzeugt, einer der Ärzte habe sich bis über beide Ohren in sie verliebt. Diese Verliebtheit ging aus Andeutungen, Anspielungen und vielsagenden Blicken hervor, war aber nie öffentlich geäußert worden - laut Myrna, weil er (noch) verheiratet war. Immer, wenn dieser Arzt in der Kantine vorbeikam, geriet sie völlig durcheinander. Nach zwei Jahren wurde die Situation unhaltbar und sie musste kündigen. Ihre Ehe war unglücklich, ase-xuell und kinderlos; sie hatte ihrem Mann nichts von ihrer >Lie-besaffäre< erzählt. In der Nachbesprechung ist zu lesen, dass ihr von ihrem Psychiater ein antipsychotisches Mittel verschrieben worden war, das die Symptome dämpfte. Eine anschließende Depression wurde mit Antidepressiva behandelt. Drei Jahre später -und trotz der weiteren Einnahme antipsychotischer Medikamente - glaubte sie noch immer, der Arzt sei in sie verliebt.
    In der Fachliteratur über das Clerambault-Syndrom zirkulieren unterschiedliche Listen mit ein- und ausschließenden Kriterien. Die beiden medizinischen Psychologen Ellis und Mellsop erstellten 1985 eine Liste der diagnostischen Kriterien, die Clerambault selbst seinerzeit beschrieben hatte. 18
    1. in der Wahnvorstellung leben, eine Liebesbeziehung mit jemandem zu haben
    2. diese Person hat einen höheren Status
    3. war als Erste verliebt
    4. machte als Erste Avancen
    5. der Anfang ist plötzlich
    6. das Wahnobjekt wechselt nicht
    7. der Patient hat eine Erklärung für abwehrende oder feindliche Reaktionen des Objekts
    8. der Verlauf ist chronisch
    9. es ist nicht die Rede von Halluzinationen
    Anschließend überprüften sie 53 Fälle aus der neueren Literatur . auf diese Kriterien hin. Fazit: Lediglich zwei, höchstens drei Fälle passten in das Bild. Oft war von begleitend auftretenden psychia-j trischen Leiden die Rede, wie paranoide Schizophrenie oder eine I manisch-depressive Störung, manchmal wechselte das Objekt I oder der Wahn war allmählich entstanden. Ein >reiner< Cleram-bault-Patient war offensichtlich so selten, dass Ellis und Mellsop zweifelten, ob es das Syndrom überhaupt noch gab und ob es sinnvoll war, ein >Clerambault-Syndrom< als psychiatrische Diagnose aufrechtzuerhalten.
    Erst kürzlich haben Wissenschaftler die Psychiaterkollegen in ihrem Bezirk gebeten, ihnen Patienten mit erotomanen Symptomen zu melden. 19 Nach Interviews und Studien ihrer Akten konnten fünfzehn Fälle danach beurteilt werden, inwiefern Clerambaults Kriterien - in der Version der Liste von Ellis und Mellsop -auf sie zutrafen. Die elf Frauen und vier Männer waren im Durchschnitt Mitte vierzig. Nur drei von ihnen waren verheiratet, die anderen unverheiratet (8), geschieden (3) oder verwitwet (1). Sechs
    von ihnen hatten nie eine sexuelle Beziehung gehabt. Zwölf Patienten waren arbeitslos oder arbeitsunfähig. In dreizehn Fällen besaß das Objekt einen höheren Status, in sechs Fällen waren es Berühmtheiten wie ein Opernsänger oder - mittlerweile schon klassisch - ein Mitglied eines Königshauses.
    Das Ergebnis der Untersuchung ist eine nähere Betrachtung wert, weil es etwas über die Grenzen des Clerambault-Syndroms verdeutlicht. So zeigte sich, dass nur das Kriterium der Wahnvorstellung, einen Verehrer zu haben, auf alle fünfzehn Fälle zutraf. Die sonstigen Kriterien aus der Liste von Ellis und Mellsop trafen nur bei einem Teil zu. Das Objekt besaß nicht immer einen höheren sozialen Status und hatte auch laut Angabe der Patienten nicht in allen Fällen als Erstes Avancen gemacht. In vier der fünfzehn Fälle war nicht von einem festen Objekt die Rede. Auch der plötzliche Anfang (neun Mal) und vor allem die nicht vorhandenen Halluzinationen (acht Mal) und der chronische Verlauf (sieben Mal) erwiesen sich als unzuverlässiges Kriterium

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