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Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co

Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co

Titel: Geist Auf Abwegen-Parkinson, Asperger und Co Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douwe Draaisma
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nur die damit verbundene Launenhaftigkeit und Exzentrik geerbt zu haben schienen. In den meisten
    Fällen hatte der Vater einen intellektuellen Beruf, und bei den wenigen Handwerkern, auf die er traf, wie dem Bürstenmacher, bekam er den Eindruck, dass dieser seinen Beruf verfehlt hatte. Es betraf überdurchschnittlich viele Einzelkinder, eine Folge, meinte Asperger, der autistischen Art der Eltern und ihres kühlen, distanzierten Ehelebens.
    Die Störung traf ausschließlich Jungen. Bei Mädchen hatte Asperger höchstens ein paar der Symptome vorgefunden, niemals das vollständige Bild. Das Leiden war »eine Extremvariante der männlichen Intelligenz, des männlichen Charakters«. 23 Jungen und Mädchen hatten jeweils ein für sie charakteristisches Intelligenzmuster: Das von Mädchen richtete sich auf Konkretes, Praktisches, Anschauliches, das von Jungen auf logisches Denken, Abstrahieren, selbstständige Analysen. Bei autistischen Jungen war die Abstraktion so weit übers Ziel hinausgeschossen, dass sie den instinktiven Kontakt mit Menschen und Gegenständen verloren hatten. Einigermaßen rätselhaft blieb jedoch auch für Asperger, dass so viele seiner autistischen Jungen eine Mutter mit ausgesprochen autistischen Zügen hatten.
    Und dann gab es noch die Ungereimtheiten innerhalb des Syndroms. Die Kinder entwickelten keinerlei affektives Band mit den Menschen in ihrem Umfeld. Warum zeigten sie dann eine so obsessive Anhänglichkeit für - sagen wir - ihre Ratte? Warum waren gerade bei diesen Kindern die Heimwehreaktionen so stark? Die meisten Kinder, die zur Beobachtung kamen, hatten sich nach einem Tag an die Abteilung gewöhnt, die autistischen Kinder jedoch blieben tagelang untröstlich und äußerten überzeugend, wie sehr sie ihre lieben Eltern vermissten. Es war Asperger aufgefallen, dass autistische Kinder eine Vorliebe für rhythmisch wiegende Bewegungen hatten. Aber weshalb hatten sie überhaupt kein Rhythmusgefühl für Musik und bewegten sich so hölzern bei rhythmischer Gymnastik? Kinder mit dieser Störung schienen ihre Umgebung vollkommen zu ignorieren. Warum gab es dann manchmal genau das eine Detail, das plötzlich alle Aufmerksamkeit gefangen zu nehmen schien? Einer der Jungen konnte einfach nicht dazu gebracht werden, seine Suppe aufzuessen, weil er endlos auf ihre Fettaugen starrte, die er sachte hin und her blies. Und warum befolgten diese Kinder Anweisungen so schlecht, während Befehle, die nicht als persönliche Anweisung formuliert waren, sondern als eine objektive Notwendigkeit, sehr wohl befolgt wurden, besonders, wenn sie in einem detaillierten Plan festgelegt waren?
    Zum Schluss besprach Asperger die Frage, was aus diesen Kindern geworden war. Vieles hing vom Grad ihrer Begabung ab. Autistische Kinder, die zusätzlich auch noch gering begabt waren, hatten die schlechtesten Aussichten. Sie landeten in »einem untergeordneten Außenseiterberuf, oft unstet, immer wechselnd, in den ungünstigsten Fällen treiben sie sich als komische Originale auf den Straßen herum« (...), »ein Objekt des Spottes für alle Gassenjungen«. 24 Kinder, deren Begabung intakt war oder sogar überdurchschnittlich, hatten bessere Chancen. Hatten sie erst einmal einen Beruf gewählt, folgte manchmal noch eine überraschend gute soziale Integration. Asperger hatte über einen langen Zeitraum den Lebenslauf eines autistischen Mannes verfolgen können. Bei ihm hatte sich schon in jungen Jahren eine ungewöhnliche mathematische Begabung gezeigt. Als er drei war, bat er seine Mutter, ein Dreieck, ein Viereck und ein Fünfeck in den Sand zu zeichnen. Danach hatte er selbst den Stock genommen, einen Strich gezogen und gesagt: »Das ist ein Zweieck, nicht?« 25 Nach einer äußerst mühsamen Zeit im Gymnasium, wo ihm alle Fächer außer Mathematik Probleme bereiteten, begann er ein Studium der theoretischen Astronomie. Er entdeckte einen Berechnungsfehler in Newtons Werk und wählte diesen als Thema für seine Dissertation.
    Das war keine Ausnahme. Aspergers Erfahrung zufolge hatten nahezu alle autistischen Kinder mit einer normalen Begabung letztendlich einen passenden Beruf gefunden, oft dank Fächern wie Mathematik, Technik oder Chemie. Aber es gab auch einen Jungen, der zu einer Autorität auf dem Gebiet der Heraldik geworden war. Die Einseitigkeit, das eingeschränkte Interesse, die Scheuklappen - gerade in dieser Art von Berufen kamen diese Eigenschaften wie gerufen.
    Der Schluss ist ein langes Zitat wert: »Wir

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