Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist (German Edition)
uns auf Maßsysteme verlassen, um die Wahrnehmung zu korrigieren, oder uns auf moralisches oder umsichtiges Begründen stützen, um instinkthafte Impulse zu bremsen, glauben wir, auf systematische Gründe zu reagieren, die unsere Schlussfolgerungen an sich rechtfertigen und ihre Autorität nicht aus ihren biologischen Ursprüngen beziehen. [3] Sie könnten nicht auf diese Art abgesichert werden. Ebenso wenig beziehen sie ihre Autorität aus ihrer kulturellen Herkunft; im Gegenteil, die Kulturgeschichte, die ihre Entwicklung erbracht hat, wird als ein Beispielsfall für Fortschritt nur dadurch ausgewiesen, dass sie zu diesen Methoden zur Verbesserung der Genauigkeit unserer Urteile geführt hat.
Verlass auf das eigene Sehvermögen und Verlass auf die eigene Vernunft sind in einer Hinsicht ähnlich: Das Vertrauen ist in beiden Fällen unmittelbar. Wenn ich einen Baum sehe, schließe ich aus meiner Erfahrung nicht mehr auf sein Vorhandensein, wie ich aus dem Umstand, dass ich nicht umhinkomme, der Schlussfolgerung zu glauben, auf die Richtigkeit des logischen Folgerns schließe. Es gibt allerdings einen entscheidenden Unterschied: Im Wahrnehmungsfall kann ich erkennen, dass ich vielleicht falschliege, aber nach Überlegung bin ich auch dann, wenn ich mich selbst für das Erzeugnis einer natürlichen Auslese im Darwinschen Sinne halte, gleichwohl berechtigt, dem Zeugnis meiner Sinne im Großen und Ganzen Glauben zu schenken, weil das mit der Hypothese übereinstimmt, dass von den Sinnen, die von der Evolution für diese Funktion gestaltet wurden, eine genaue Darstellungder mich umgebenden Welt geliefert wird. Das ist keine Zurückweisung der radikalen Skepsis, da die Evolutionstheorie, wie alles in der Wissenschaft, von dem Zeugnis der Sinne abhängt. Aber es bietet ein kohärentes Bild von meinem Platz in der Welt, das mit der allgemeinen Verlässlichkeit solcher Zeugnisse zusammenstimmt.
Im Gegensatz dazu ist es im Fall des Vernunftgebrauchs, wenn er denn elementar genug ist, einzig möglich zu denken, dass ich die Wahrheit direkt erfasst habe. Ich kann nicht vor einer logischen Schlussfolgerung zurücktreten und sie mit der Überlegung absichern, dass die Verlässlichkeit meiner logischen Gedankengänge mit der Hypothese übereinstimmt, dass die Evolution sie wegen ihrer Genauigkeit auserlesen hat. Das würde den logischen Anspruch dramatisch schwächen. Bei der Formulierung dieser Erklärung müssen logische Urteile der Folgerichtigkeit und Widersprüchlichkeit außerdem wie bei der entsprechenden Erklärung der Verlässlichkeit der Sinne ohne diese Einschränkungen erfolgen, das heißt als eine direkte Erkenntnis der Wahrheit. Es ist nicht möglich zu denken: »Das Vertrauen in meine Vernunft, einschließlich meines Vertrauens in genau dieses Urteil ist berechtigt, weil es damit im Einklang steht, dass es eine evolutionstheoretische Erklärung für sie gibt.« Jedwede evolutionistische Darstellung des Stellenwerts der Vernunft setzt daher die Gültigkeit der Vernunft schon voraus und kann sie nicht ohne Zirkelschluss bestätigen.
Der Versuch, sich selbst in evolutionistischen, naturalistischen Begriffen zu verstehen, muss schließlich in etwas seinen Boden finden, das für sich genommen als gültig verstanden wird – etwas, ohne das ein evolutionistisches Verständnis nicht möglich wäre. Das Denkenträgt uns über die Erscheinungen hinaus zu etwas, was wir nicht bloß als eine biologisch angelegte Disposition betrachten können, deren Verlässlichkeit wir nach anderen Gründen bestimmen. Es reicht nicht aus, denken zu können, dass mir die natürliche Auslese höchstwahrscheinlich die Fähigkeit gegeben hätte, logische Wahrheiten zu erkennen, falls es sie geben würde. Das kann kein Grund für mich sein, meiner Vernunft zu trauen, weil sogar dieser Gedanke implizit vorab auf die Vernunft angewiesen ist.
Wir können vermuten, dass die Fähigkeiten, die uns in die Lage versetzen, über unsere angeborenen Dispositionen, die Welt zu vergegenwärtigen und auf sie zu reagieren, weit hinauszugehen, bei einem Ahnen aufgetreten sind und dann bei späteren Generationen erhalten blieben. Das Auftreten dieser Fähigkeiten muss in den Evolutionsprozess einbezogen werden, insofern sie für die Fitness zumindest nicht nachteilig sind, so dass sie durch natürliche Selektion nicht ausgemerzt wurden. So viel erscheint plausibel. Wenn ich aber recht damit habe, dass wir sie nicht lediglich als weitere instinkthafte
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