Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist (German Edition)
Mitteln dazu und im Leben anderer Lebewesen führen. Diese Werte sind keine gesonderten Eigenschaften vom Guten und Schlechten, sondern bloß Wahrheiten wie die folgenden: Wenn etwas, was ich tue, einem anderen Lebewesen Leiden verursacht, spricht das dagegen, es zu tun. Ich kann zu der Einsicht kommen, dass dies wahr ist, indem ich den offenkundigen Unwert meines eigenen Leidens verallgemeinere, und sobald ich die allgemeinere Wahrheit erkenne, werden meine Motive verändert sein. Falls es objektive allgemeine Normen des Verhaltens gibt, würde uns diese Art zu denken gestatten, sie zu entdecken, auch wenn sie ebenso wenig angeboren sind wie die Gesetze der Physik. Wie bei der Wissenschaft würde der Vorgang ihrer Entdeckung ohne Sprache, zwischenmenschliche Kommunikation und kulturelles Gedächtnis unmöglich sein. Obwohl die angewandten grundlegenden Fähigkeiten in ihrer einfachen Form anpassungsförderlich sind, würden sie es uns in beiden Fällen erlauben, über unseren Ausgangspunkt hinauszugehen und große Bereiche der Wahrheit zu entdecken, ganz unabhängig davon, ob solches Wissen die Fitness steigert.
All das ist zwar sehr weit hergeholt, aber nicht mehr als vieles in der evolutionstheoretischen Spekulation. Denn eine solche Erklärung verlangt, dass Mutationen, und was sonst die Quellen genotypischer Variation sein mögen,nicht nur physikalische Strukturen, sondern zudem Phänomenologie, Wunsch und Abneigung, das Bewusstsein von anderen geistbegabten Wesen, symbolische Repräsentationen und logische Folgerichtigkeit erzeugen sollen, die allesamt eine wesentliche Rolle für das Zustandekommen des Verhaltens haben. Vorausgesetzt, wir können von irgendeiner umfassenden Lösung für das Körper-Geist-Problem ausgehen, die all dies zulässt, legt der Rest der Geschichte nahe, dass ein Wissen um die objektive wissenschaftliche und moralische Wahrheit, sollte es so etwas geben, aus der Ausübung von Fähigkeiten hervorgehen könnte, welche bei banalerer Anwendung für das Überleben zumindest nicht nachteilig sind. Es muss kein unüberwindliches Problem der Unwahrscheinlichkeit geben, vorausgesetzt wir akzeptieren den evolutionstheoretischen Rahmen selbst als wahrscheinlich.
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Wenn wir jedoch um des Argumentes willen annehmen, dass eine evolutionstheoretische Erklärung dieser Form wahr ist, gibt es ein weiteres Problem damit, so über unsere grundlegenden Denkfähigkeiten zu denken. Es taucht dann auf, wenn wir die Einstellung, die wir berechtigterweise zu unserem perzeptiven und triebhaften System einnehmen können, mit der Einstellung vergleichen, die wir zu unserem Vernunftgebrauch einnehmen können. Dies wird zu dem zweiten Problem führen, das oben schon bestimmt wurde – zu der Schwierigkeit, Vernunft naturalistisch zu verstehen. Wenn wir annehmen, dass es einen Weg gibt, das Bewusstsein in die evolutionstheoretischeDarstellung einzufügen, dann können wir unser visuelles System, so wie die visuellen Systeme anderer Spezies, als etwas verstehen, das durch natürliche Auslese geformt wurde. Die Besonderheiten des menschlichen Sehvermögens entsprechen solchen Aspekten der Welt, die im Leben unserer Ahnen wichtig gewesen sind. Damit können wir uns weiterhin auf die Prima-facie-Belege unserer Sinne verlassen, zugleich aber anerkennen, dass die Belege manchmal irreführend, selektiv oder entstellt sein werden und dass sie den Abdruck unserer besonderen biologischen Ahnen tragen.
Bei unseren Einstellungen zu unseren intuitiven Wahrscheinlichkeitsurteilen oder zu manchen unserer intuitiven Werturteile (dem Wunsch nach Rache zum Beispiel) ist etwas Ähnliches möglich. Wir können dahin kommen, diese Intuitionen als grobe, aber nützliche, unreflektierte Reaktionen zu verstehen, die unter den Verhältnissen, unter denen unsere Vorfahren lebten und starben, durch natürliche Auslese zu einer Fitness steigernden Form gestaltet wurden. Gleichzeitig können wir zu der Erkenntnis gelangen, dass sie vielleicht der Korrektur oder der Hemmung bedürfen. Eine evolutionsbezogene Selbsterkenntnis dieser Art ist ein gewöhnliches Merkmal unserer reflektierenden Einstellungen gegenüber unserer natürlichen Veranlagung zu Hunger, Angst, Lust, Wut und so fort.
Aber wann immer wir eine solche berechtigterweise distanzierte Einstellung zu unseren angeborenen Veranlagungen einnehmen, sind wir implizit mit einer Form des Denkens beschäftigt, zu der wir nicht zugleich diese distanzierte Einstellung einnehmen. Wenn wir
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