Geisterbahn
betatschen; seine Hände waren wieder auf ihrem gesamten Körper.
Der ganze Abend ist wie diese Raupe, dachte Amy: völlig außer Kontrolle geraten.
Danach fuhren sie wieder auf dem Octopus, und nachdem sie sich erneut fröhlich auf dem Autoskooter angerempelt hatten, kehrten sie in die Sackgasse hinter den Jahrmarkt-Trucks am Rand des Kirmesgeländes zurück, und Liz zündete einen weiteren ihrer eigenwillig gemischten Joints an. Die Dunkelheit hatte sich über den Rummelplatz gesenkt, und die vier konnten sich nicht mehr deutlich sehen, als sie die Zigarette herumreichten. Sie machten Witze darüber, daß ein Fremder aus der Dunkelheit trete und einen Zug nehme, ohne daß einer von ihnen etwas davon mitbekomme, und sie scherzten, sie würden Freaks sehen, die sich unter den sie umgebenden Lastwagen versteckten.
Amy tat nur so, als würde sie rauchen. Sie nahm einen Zug, inhalierte aber nicht. Sie hielt den Rauch einen Moment lang im Mund und blies ihn dann aus.
Selbst in der Dunkelheit, in der sie sich nur an der leuchtenden Zigarettenspitze und dem Geräusch des eingesogenen Atems orientieren konnte, merkte Liz, daß Amy das Gras nicht tief eingeatmet hatte. »Bleib nicht hinter uns zurück, Kleine«, sagte sie scharf. »Sei keine Spielverderberin!«
»Ich weiß nicht, was du meinst«, sagte Amy.
»Ach, hör doch auf. Zieh noch mal an dem Joint. Wenn ich high bin, mag ich es, wenn meine Gesellschaft in demselben Zustand ist.«
Um Liz nicht gegen sich aufzubringen, zog Amy noch einmal an dem Joint und atmete den Rauch diesmal tief ein. Sie verachtete sich selbst wegen ihres Mangels an Courage.
Aber ich will Liz nicht verlieren, dachte sie. Ich brauche Liz. Wen habe ich sonst noch?
Als sie zum Mittelgang zurückkehrten, stießen sie fast mit einem Albino zusammen. Sein dünnes, flaumiges weißes Haar flatterte in der warmen Junibrise. Er richtete den Blick seiner durchsichtigen Augen auf sie, Augen wie kalter Rauch, und sagte: »Freikarten für Madame Zena. Freikarten, damit man Ihnen Ihre Zukunft wahrsagt. Eine für jede Dame, mit besten Grüßen von der Geschäftsleitung.
Sagen Sie all Ihren Freunden, daß Big American der freundliche Jahrmarkt ist.«
Überrascht nahmen Amy und Liz die Karten aus den weißen und wie durchsichtigen Händen entgegen.
Der Albino verschwand in der Menge.
12
Die vier drängten sich in das kleine Zelt der Wahrsagerin.
Liz und Amy saßen auf den beiden verfügbaren Stühlen an dem Tisch, auf dem die Kristallkugel mit strahlendem Licht erfüllt war. Richie und Buzz standen hinter den Stühlen.
Amy war nicht der Ansicht, daß Madame Zena wie die Zigeunerin aussah, die sie angeblich war, auch wenn sie bunte Tücher und einen Faltenrock und protzigen Schmuck trug. Aber die Frau war sehr hübsch und wirkte angemessen geheimnisvoll.
Liz war zuerst an der Reihe. Madame Zena stellte ihr alle möglichen Fragen über sich und ihre Familie, Informationen, die sie brauchte (behauptete sie jedenfalls), um ihre übersinnliche Wahrnehmungsfähigkeit auf sie zu richten.
Als sie keine weiteren Fragen mehr hatte, spähte sie in die Kristallkugel; sie beugte sich so nahe an das Ding heran, daß das unheimliche Licht und die Schatten, die es warf, ihre Gesichtszüge ganz anders, falkenartig, wirken ließ.
In vier Glasröhren in den vier Ecken des Zelts flackerten vier Kerzen.
In seinem großen Käfig rechts vom Tisch verlagerte der Rabe sein Gewicht auf der Sitzstange und gurrte tief in der Kehle.
Liz sah Amy an und verdrehte die Augen.
Amy kicherte; ihr war von dem Dope schwindliger denn je.
Madame Zena starrte mit einem theatralischen Stirnrunzeln in die Kristallkugel, als bemühe sie sich, die Schleier zu durchdringen, die die Welt von morgen verbargen. Plötzlich wandelte sich ihr Gesichtsausdruck und verriet echte Verwirrung. Sie blinzelte, schüttelte den Kopf und beugte sich noch näher zu der leuchtenden Kugel auf dem Tisch.
»Was ist los?« fragte Liz.
Madame Zena antwortete nicht. Ihr Gesicht war plötzlich leichenblaß, und es wirkte so echt, daß es Amy kalt über den Rücken lief.
»Nein ... «, sagte Madame Zena.
Liz schien noch immer der Meinung zu sein, daß die Wahrsagerin ihr nur etwas vormachte. Das Mädchen sah offensichtlich nicht den echten Ausdruck des Entsetzens auf Zenas Gesicht, den Amy genau ausmachen konnte.
»Ich kann nicht ...«, begann Madame Zena, hielt dann inne und fuhr mit der Zunge über ihre Lippen. »Ich habe noch nie ... «
»Was werde ich
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