Geisterbahn
Karussell. »Wir sind sofort wieder zurück«, versicherte Liz ihm. Sie zog Amy durch die Menschenmenge zum Rand des Mittelgangs.
Conrad lauerte im Schatten neben Zenas Zelt, als die vier Teenager heraustraten und in der Pfütze des aufblitzenden roten und gelben Lichts stehenblieben, die das benachbarte Round-up warf. Er hörte, daß das blonde Mädchen sagte, es wolle auf die Toilette gehen, ein Eis essen und dann mit der Geisterbahn fahren. Als die Gruppe sich trennte und davonzog, schlüpfte Conrad in Zenas Zelt.
Hinter sich zog er eine Segeltuchklappe hinunter, die den gesamten Eingang bedeckte und auf der zu lesen stand: GESCHLOSSEN/BIN IN ZEHN MINUTEN ZURÜCK.
Zena saß auf ihrem Stuhl. Selbst im flackernden Licht der Kerzen konnte Conrad sehen, daß sie kreidebleich war. »Nun?« fragte er. »Wieder eine Sackgasse«, sagte Zena nervös. »Die eine ähnelt Ellen stärker als alle anderen, die ich zu dir geschickt habe.«
»Nur ein Zufall«, sagte Zena. »Wie heißt sie?«
»Amy Harper.« Diese vier Silben elektrisierten Conrad geradezu. Ihm fiel der kleine Junge ein, dem er an diesem Nachmittag zwei Freikarten gegeben hatte. Der Name dieses Kindes lautete Joey Harper, und er hatte gesagt, seine Schwester hieße Amy. Auch der Junge hatte Ellen ähnlich gesehen.
»Was hast du über sie herausgefunden?« fragte er Zena.
»Nicht viel.«
»Sag's mir.«
»Sie ist nicht die, die du suchst.«
»Sag's mir trotzdem. Brüder? Schwestern?«
Zena zögerte. »Ein Bruder«, sagte sie dann.
»Wie heißt er?«
»Was spielt das für eine Rolle? Sie ist nicht die, die du suchst.«
»Ich bin nur neugierig«, sagte Conrad ruhig. Er spürte, daß sie die Wahrheit vor ihm verbarg, wollte aber nicht so recht glauben, daß er nach all diesen Jahren sein Opfer gefunden hatte. »Wie heißt ihr Bruder?«
»Joey.«
»Und ihre Mutter?«
»Nancy«, sagte Zena.
Conrad wußte, daß sie log. Er musterte sie eindringlich.
»Bist du sicher, daß sie nicht Leona heißt?«
Zena kniff die Augen zusammen. »Was? Wieso Leona?«
»Weil ich heute nachmittag zufällig einen kurzen, freundlichen Plausch mit Joey
Harper gehalten habe, als er uns zusah, wie wir die Geisterbahn aufbauten, und er hat mir gesagt, seine Mutter hieße Leona.« Zena starrte ihn erstaunt und verblüfft an. Conrad ging um den Tisch und legte eine Hand auf ihre Schulter. Sie schaute zu ihm hoch. »Weißt du, was ich glaube?« sagte er. »Ich glaube, der Junge hat mich belogen.
Ich glaube, er hat irgendwie Gefahr gespürt und mich belogen, was den Namen und das Alter seiner Mutter angeht. Und jetzt belügst du mich.«
»Conrad ... laß sie gehen.« Ihre Worte waren das Eingeständnis, daß er Ellens Kinder gefunden hatte, und eine erschütternde, explosive freudige Erregung durchflutete ihn.
»Ich habe etwas in der Kristallkugel gesehen«, sagte sie mit einer Stimme, die Angst und Ehrfurcht enthielt. »Sie besteht nicht mal aus echtem Kristall. Es ist nur ein billiges Stück Dreck. Sie hat nichts Magisches an sich. Doch heute abend ... als diese Mädchen hier waren ... habe ich Bilder in der Kugel gesehen. Es war schrecklich, entsetzlich. Ich sah, wie die Blondine schrie, wie sie die Hände vor das Gesicht riß, als versuchte sie, etwas Fürchterliches abzuwehren, das nach ihr griff. Und ich sah die andere ...
Amy ... in zerrissener, blutverschmierter Kleidung.« Sie erzitterte heftig. »Und ich glaube ... auch die Jungen ... im Hintergrund der Vision ... die Jungs, die bei den Mädchen waren ... ganz blutig.«
»Es war ein Zeichen«, sagte Conrad. »Ich hab' dir doch gesagt, man schickt mir Zeichen. Das ist auch eins. Es sagt mir, nicht zu warten. Es sagt mir, Amy noch heute abend zu holen, auch wenn ich mich dann um die anderen kümmern muß.«
Zena schüttelte den Kopf. »Nein. Nein, Conrad, ich kann das nicht zulassen. Du darfst deine Rache nicht bekommen. Das ist doch verrückt. Du kannst nicht einfach losziehen und diese vier jungen Leute töten.«
»Oh, ich werde sie wahrscheinlich gar nicht mit eigenen Händen töten«, sagte er.
»Was meinst du?«
»Gunther wird sich um sie kümmern.«
»Gunther? Er würde keinem was tun.
»Unser Sohn hat sich verändert«, sagte Conrad. »Ich weiß als einziger, wie sehr er sich verändert hat. Er ist endlich erwachsen geworden. Jetzt braucht er Frauen, und er nimmt sich, was er braucht. Er vögelt sie nicht nur. Er läßt eine ziemliche Schweinerei zurück. Ich habe ihn in den letzten paar
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