Geisterbahn
vielleicht lebt sein Geist noch.«
»Vor einer Minute hast du uns noch erklärt, das gottverdammte Ding sei eine Gummipuppe«, sagte Amy.
»Ich hab' mich schon öfter mal geirrt«, sagte Richie.
»Und wie erklärst du, daß es mich durch das Glas gebissen hat?« fragte Buzz sarkastisch.
»Ein übersinnlicher Biß«, sagte Richie. »Ein Geisterbiß.«
»Mir ist richtig unheimlich«, sagte Liz und schlug Richie auf die Schulter.
»Ein Geisterbiß?« wiederholte Buzz. »Ist doch Blödsinn.«
Das Ding in der Flasche beobachtete sie mit seinen bewölkten, smaragdgrünen Mondscheinaugen.
Der Name Ellen schien auf dem Schild heller zu leuchten als alle anderen Worte.
Zufall, sagte Amy sich.
Es mußte Zufall sein. Denn wenn es keiner war, wenn das wirklich Mamas Kind war, wenn Amy tatsächlich von einer übernatürlichen Macht auf diesen Jahrmarkt geführt worden war, dann konnten auch die anderen Vorahnungen wahr sein. Dann würde Liz vielleicht tatsächlich hier sterben. Und das war undenkbar. Also war es nur ein Zufall.
Ellen.
Ein Zufall, verdammt!
Amy war erleichtert, als sie das Freak-o-rama verließen.
Sie fuhren auf dem Shazam und dann noch einmal auf dem Loop-de-Loop, und dann hatten alle plötzlich einen Bärenhunger. Es war ein von Drogen hervorgerufener Hunger, der unstillbare Appetit, unter dem alle ernsthaften Potraucher litten. Sie aßen Hot dogs, Eis und kandierte Äpfel.
Schließlich fanden sie sich vor der Geisterbahn wieder.
Ein großer Mann in einem Frankenstein-Kostüm tollte auf einer niedrigen Plattform herum und bedrohte die Leute, die in die Gondeln der Geisterbahn stiegen. Er schwang die Arme und schnaubte und sprang in einer schrecklichen Imitation von Boris Karloff auf und ab.
»Das ist ein richtiger Schmierenkomödiant«, sagte Richie.
Sie gingen ein paar Schritte weiter zur Plattform des Ausrufers, auf der ein großer, distinguiert wirkender Mann die Passanten anmachte. Er schaute zu ihnen hinab, während er seine Sprüche losließ, und er hatte die blauestenAugen, die Amy je gesehen hatte. Nach ein paar Sekunden merkte sie, daß das riesige Clownsgesicht auf dem Gebäude dem des Ausrufers nachempfunden worden war.
»Ent-setzlich! Ent-setzlich!« brüllte der Ausrufer.
»Kobolde, Geister und Ghouls! Spinnen, größer als Menschen! Ungeheuer von anderen Welten und aus den tiefsten Tiefen unserer eigenen! Sind alle Geschöpfe, die in der Geisterbahn lauern, lediglich Phantasie ... oder ist eins von ihnen echt? Sehen Sie selbst! Erfahren Sie auf eigene Gefahr die Wahrheit! Können Sie die Prüfung, die Spannung, die Furcht bestehen? Sind Sie Manns genug? Meine Damen, sind Ihre Männer stark genug, um Sie in der Geisterbahn zu beschützen ... oder werden Sie sie beschützen müssen? Ent-setzlich!«
»Ich liebe es, mit der Geisterbahn zu fahren, wenn ich richtig high bin«, sagte Liz. »Wenn man so richtig fliegt, wirklich abhebt, ist es ganz toll. All diese blöden Plastikungeheuer springen einen an.«
»Dann fahren wir doch«, sagte Richie.
»Nein, nein«, sagte Liz. »Das müssen wir uns aufsparen, bis wir richtig high sind.«
»Ich bin jetzt richtig high«, sagte Amy.
»Ich auch«, sagte Buzz.
»Ach, das ist doch gar nichts«, sagte Liz. »Ich meine, richtig high.«
»Wenn ich noch höher abhebe«, sagte Richie, »muß man mich in die Klapsmühle bringen.«
»Bestell direkt eine Doppelzelle«, fügte Buzz hinzu.
»Genau das ist es«, sagte Liz aufgeregt. »Man muß richtig high sein, um die Geisterbahn würdigen zu können.«
Ich nicht, mahnte Amy sich. Heute abend kein Dope mehr. Nie mehr Dope.
Sie kauften Karten für die Raupe. Der Mann an den Kontrollsperren war ein Zwerg, und während Liz darauf wartete, daß es endlich losging, zog sie den kleinen Mann auf und riß Witze über seine Größe. Er sah Liz wütend an, und Amy wünschte sich, ihre Freundin würde die Klappe halten. Als die Raupe sich endlich in Bewegung setzte, bekam der Zwerg Gelegenheit, sich zu rächen; er machte wesentlich mehr Tempo als üblich, und der Wagenzug raste im Kreis herum und hob und senkte sich so schnell, daß Amy befürchtete, er würde aus der Spur fliegen. Was eine aufregende Fahrt hätte werden sollen, wurde zu einer Folter, bei der einem der Schweiß ausbrach, die Knöchel weiß hervortraten und der Magen sich zusammenzog.
Doch so unglaublich es war - als das automatische Segeltuchverdeck sich über der dahinrasenden Raupe schloß, nutzte Buzz die Dunkelheit aus, um Amy zu
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