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Geisterblumen

Geisterblumen

Titel: Geisterblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Jaffe
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sagen, dass ich dich angefleht habe zu bleiben, dass ich dir alle Hilfe gegeben habe, aber wie konnte sie mir glauben? Sie wusste nicht, dass du krank warst. Sie wusste nicht, dass du in einer Spezialklinik warst. Ich hatte dir doch versprochen, es nicht zu verraten.« Sie tupfte sich die Augen mit einem Taschentuch ab, das Arthur ihr nach hinten gereicht hatte. »Es war so schwer, sie zu sehen. Sie war so schön und klug wie du. Wenn sie lächelte, war es immer, als würdest du lächeln. Es hat weh getan, hier.« Sie legte die Hand auf die Brust.
    »Also hast du es ihr schwergemacht zu lächeln«, sagte ich, als ich endlich begriff. Als ich endlich das Leben sah, das Althea und Aurora miteinander geführt hatten. Das Schweigen, die Auseinandersetzungen, die Vorwürfe. Nicht, weil Althea Aurora hasste, sondern weil sie sie liebte und nicht gewusst hatte, wie sie das zeigen sollte.
    Während ich den Schmerz in ihrer Stimme hörte, fühlte ich mich wie die unfreiwillige Zuschauerin in einem Theaterstück, die sich dennoch nicht abwenden konnte. Ich fühlte die Kluft, die zwischen Althea und Aurora existiert hatte, stellte mir vor, wie sie aufeinander zukrochen, aber immer von ihrer Sturheit aufgehalten wurden, einer Sturheit, die nur ein Schutzmantel für die Angst vor Zurückweisung war und sie auseinandertrieb, bevor sie einander berühren konnten. Mrs March hatte recht gehabt – Großmutter und Enkelin waren einander gleich.
    Ich sah sie vor mir, wie sie Abend für Abend an dem langen Esstisch saßen, das Schweigen erfüllt von Dingen, die sie einander nicht sagen konnten. Ich stellte mir vor, wie Aurora davonschlich, wilder und wilder wurde, weil es die einzige Möglichkeit war, den Teufelskreis aus kühlem »Guten Morgen« und »Gute Nacht« zu durchbrechen. Sie schlich sich nicht nur hinaus, um Aufmerksamkeit zu erregen, sondern weil sie etwas fühlen wollte, weil sie gebraucht werden wollte. Weil sie Wertschätzung wollte.
    »Ich wollte sie beschützen. Ich wollte, dass sie sicher ist«, sagte Althea in flehendem Ton. »So wie ich es versprochen hatte. Aber dann ist sie auch weggelaufen. Ihr habt mich beide alleingelassen.« Ein Schauer durchlief ihren Körper, als sie tief Atem holte. »Du siehst ihr so ähnlich. Sie war so schön und klug wie du.«
    Zwei Menschen, die einander gegenübersitzen, sich aber nicht richtig sehen.
    Althea konnte ich jetzt genau erkennen. Ich sah die Qual in ihren Zügen, den verlorenen Ausdruck in ihren Augen, die weißen Knöchel ihrer Hände. Ich konnte die Vergangenheit nicht ändern, aber ich erkannte, dass es in meiner Macht stand, ihr jetzt etwas Gutes zu tun.
    »Ich bin mir sicher, dass Aurora dir verzeihen wird, wenn du sie darum bittest.«
    Althea schüttelte den Kopf. »Es ist zu spät. Ich habe Angst, dass es viel zu spät ist.«
    Ich ergriff ihre Hand. »Vielleicht fühlt sie sich auch schlecht. Du könntest es versuchen.«
    Ihr Blick wanderte von unseren umschlungenen Händen zu meinem Gesicht. Zuerst sah sie verwirrt aus, doch dann klärte sich ihr Blick, als sähe sie wieder Aurora vor sich und verstünde, dass sie es tatsächlich versuchen konnte. »Ich nehme an …«
    Es ging so schnell, dass ich nicht begriff, was passierte. Aus dem Augenwinkel sah ich ein Licht heranschießen. Ich drehte mich um, dann hörte ich schon ein furchtbares Krachen, gefolgt von einem Kreischen. Ich wurde nach vorn und dann zur Seite geschleudert, und dann hing ich plötzlich mit dem Kopf nach unten. Die Herzkönigin streifte im Fallen meine Wange, drehte sich wieder und wieder um sich selbst, und in meinem Kopf hallte das Gelächter eines Mädchens wider.
    Dann wurde alles schwarz.

40. Kapitel
    R
auch.
    Ich roch ihn und spürte die Hitze. Ich schlug die Augen auf, schloss sie aber sofort wieder, weil sie so brannten. Doch ich hatte schon die orangefarbene Flamme gesehen, die aus der Motorhaube schoss, und die Umrisse von Arthur und meiner Großmutter, die bewusstlos in den Gurten hingen. Der Wagen stand schief, und ich war unter den beiden eingeklemmt. Ich schnallte mich mühsam mit meiner verletzten Hand los und griff nach Althea. Sie stöhnte leise, ohne die Augen zu öffnen.
    Colins Worte –
eine verkohlte Aurora
– hallten wie ein Echo in meinem Kopf.
    Ich öffnete erneut die Augen. Die Flammen im vorderen Bereich des Autos brannten heller und höher, und ich hörte ein Knistern, als hätte trockenes Gras Feuer gefangen. Meine Tür war gegen den Boden gedrückt, hier kam ich

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