Geisterblumen
mich nach Hause zu fahren, aber ich wollte bei Althea bleiben.
Es war ein merkwürdiger Unfall gewesen. Er wurde von Leuten gemeldet, die in einem
entgegenkommenden Fahrzeug gesessen hatten. Sie hatten gesehen, wie ein blaues Fahrrad den Hügel heruntergeschossen und frontal gegen unser Auto geprallt war. Man fand das völlig verbogene Fahrrad in etwa zwanzig Metern Entfernung vom Unfallort. Vom Fahrer keine Spur. In der Tat beschworen die Zeugen, dass es
gar keinen
Fahrer gegeben habe. Nur ein blaues Rad, das allein den Abhang hinunterraste, auf Kollisionskurs mit unserem Auto. »Ein Geisterfahrrad«, wie ein Zeuge erklärte.
Als Detective Ainslie das erzählte, überlief mich ein Schauer. Natürlich war es dumm.
Es gibt kein Geisterfahrrad
, sagte ich mir.
Das sind nur Worte.
Die Luft um mich herum schien sich zu bewegen, und als ich aufblickte, sah ich
N. Martinez durch den Flur auf mich zukommen. Bei ihm war die Uniform kein
Gleichmacher, sondern hob ihn aus der Menge heraus.
Er bewegt sich besser als andere Männer
, sagte eine Stimme in meinem Kopf.
Als würde ihn seine Umwelt respektieren.
Ich wandte mich ab.
»Keine Sorge, ich bin nicht hier, um zu spionieren«, sagte er. Bevor ich ihm widersprechen konnte, fügte er hinzu: »Ich dachte nur, du möchtest dies vielleicht sehen.« Er hielt mir eine Aktenmappe hin.
Ich legte sie auf meinen Schoß und öffnete sie. Sie enthielt Fotos von der Unfallstelle.
Das komische Gefühl in meinen Knien wurde stärker.
Er hat mir ein Geschenk
mitgebracht
, sagten die Stimmen.
Er hat dir Fotos von der Unfallstelle
mitgebracht
, widersprach mein Verstand.
Weil er wusste, dass du sie sehen möchtest.
Ich spürte, wie in mir ein Lächeln aufstieg, und unterdrückte es.
Was würde Aurora jetzt tun?
Ich tastete nach der Antwort, als suchte ich in einem dunklen, mit Spinnweben verhangenen Wald nach dem rechten Weg.
»Vielen Dank«, sagte ich so förmlich wie möglich. »Das ist sicher interessant.« Dann platzte ich heraus: »Hatten Sie ein nettes Date mit Coralee?«
Das war eindeutig die falsche Frage. Er nickte steif. »Ja, das hatte ich. Auf Wiedersehen.« Er drehte sich um und marschierte davon.
Dabei nahm er das Gefühl von Sicherheit mit sich. »Warten Sie«, rief ich und stand auf. Ich wollte nicht, dass er ging. Mir tat alles weh, ich war steif und konnte mich nicht gut bewegen, aber er kam mir nicht entgegen, sondern stand einfach nur reglos da. »Haben Sie damals etwas an Lizas Füßen bemerkt?«
»Darf ich fragen, weshalb du das wissen möchtest?«
»Ich bin mir nicht sicher. Nicht ihre Füße, ich meine eher ihre Schuhe. Sie … es waren nicht die richtigen Schuhe für das Outfit.« Das stimmte nicht ganz, ich fühlte es, aber ich war nahe dran.
»Mir ist nichts Seltsames an ihren Schuhen aufgefallen. Falls ich etwas darüber höre, werde ich es dich wissen lassen«, sagte er finster.
»Ich hatte nichts mit Stuarts Händen zu tun.«
»Das habe ich auch nicht geglaubt.«
»Oh. Okay. So … ich wollte nur, dass Sie das wissen.«
Er nickte knapp und ging hinaus. Ich sah ihm nach und verspürte erneut den verrückten Drang, ihm zu sagen, dass ich nicht die war, für die er mich hielt. Aber obwohl er der einzige Mensch auf der Welt war, dem ich das sagen wollte, war er der Letzte, dem ich es sagen konnte.
Ich musste mich unbedingt von ihm fernhalten.
Ich legte diesen Plan in dieselbe Schublade, in der ich alle guten Vorsätze ablegte, setzte mich auf den nächstbesten Stuhl und öffnete die Mappe, die er mir gegeben hatte, erneut. Ich überblätterte die Seiten, auf denen der Unfallhergang beschrieben war, und schaute mir die Fotos an. Unser Wagen war aus mehreren Perspektiven zu sehen, dann folgte das Fahrrad.
Es war verbogen, aber noch erkennbar, ein blaues Mädchenfahrrad. Die Handgriffe waren weiß, aber sie sahen aus, als hätte man sie mit gelbem Isolierband umwickelt. Und auf den Lenker hatte jemand einen roten Glasstern geklebt …
Lizas Fahrrad. Lizas Fahrrad, das ich von dem Foto im Jahrbuch kannte.
Ich war unnatürlich ruhig, als betrachtete ich all das von außen, als betrachtete ich mich selbst.
Dann wurde mir klar, dass ich eigentlich gar nicht im Auto hätte sitzen sollen.
Ich hatte geglaubt, die Bedrohung käme von der Familie, von Bain und Bridgette, doch wenn ich mich nun geirrt hatte? Vielleicht hatte unser kleiner Deal etwas ganz anderes in Gang gesetzt. Etwas viel Gefährlicheres. Rache.
Meine … beste Freundin FÜR IMMER
,
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