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Geisterblumen

Geisterblumen

Titel: Geisterblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Jaffe
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sieht aus wie du, Sadie. Der gleiche sture Blick. Das gleiche Lächeln. Du wärst stolz auf die junge Frau, die aus ihr geworden ist. Du wärst so stolz.«
    »Danke«, flüsterte ich, schloss die Tür und lief zurück in mein Zimmer.
    Vier Anrufe von einer unbekannten Nummer. Ich schaltete das Handy aus.
    Zum ersten Mal, seit ich nach Tucson gekommen war, schlief ich tief und traumlos.

39. Kapitel
    Montag
    D ie gelb-weiße Markise auf der Terrasse des Tennisclubs flatterte im Wind. Es war ein herrlicher Tag: blauer Himmel, drei perfekt platzierte Federwolken. Althea saß neben mir und betrachtete die Tennisplätze durch ihr Fernglas.
    »Ich kann Bridgette nicht sehen. Ich nehme an, Stuart hat sie beim Doppel sitzenlassen«, sagte sie schadenfroh. »Zu schade, dass du meine Wette nicht angenommen hast.«
    »Ich hätte es getan«, ließ sich Bain vernehmen. Ich sah ihn über die Terrasse auf uns zukommen, weißes Polohemd, muskulöse, gebräunte Arme, doch die Waden sahen seltsam mager aus, als konzentrierte er sich ganz auf die Körperteile, die am häufigsten zu sehen waren.
    »Du würdest jede Wette annehmen. Das ist dein Problem«, sagte Althea.
    Er sah nicht gerade glücklich aus. »Das ist nicht wahr.«
    »Ein guter Mann kann Witze machen. Ein großer Mann kann Witze vertragen.«
    Althea war schon den ganzen Morgen in Hochform, und ich genoss es, mit ihr zusammenzusein. Mein Handy hatte drei Mal geklingelt, jedes Mal ein unbekannter Anrufer, doch ich hatte es ignoriert. Nach gestern Abend erschien mir alles sonnenklar: Was ich für einen Geist gehalten hatte, der mich in Silverton House heimsuchte, war in Wirklichkeit meine Großmutter gewesen, die um mich besorgt war; und hinter den Anrufen steckte irgendein Scherzbold, der mir Angst einjagen wollte. Das würde ich nicht zulassen.
    »Wie spät ist es? Ich könnte einen Hummersalat vertragen«, verkündete Althea.
    Ich schaute zu Bain, der mit den Schultern zuckte. Er deutete auf sein Handgelenk. »Keine Uhr.«
    »Was ist aus der goldenen Rolex geworden, die ich dir zum Schulabschluss geschenkt habe?«, fauchte Althea. »Warum trägst du sie nie?«
    Ich musste an den Kleiderschrank voller Geschenke für Aurora denken. Vielleicht forderte sie auf diese Weise Rechenschaft, weil sie sich davon überzeugen wollte, dass die Menschen nicht nur das zu schätzen wussten, was sie herschenkte, sondern auch sie selbst. Sie erinnerte mich an die chinesischen Dosen, die aus einem einzelnen Stück Jade geschnitzt sind, Zeugnisse wunderbarer Handwerkskunst, aber zart und absolut undurchsichtig.
    »Sie ist im Schließfach. Ich will nicht, dass etwas damit passiert.«
    »Quatsch, Uhren sind dazu da, getragen zu werden.« Ihr Blick fiel auf mich. »Ich glaube, ich habe noch ein paar witzige Kommentare in petto. Hol mir eine Limonade. Lass sie auf deine Rechnung setzen. Du bist bald reich; du kannst das übernehmen.«
    Ich hatte gerade die Limonade aus dem Schiebefenster der Snackbar genommen, als ich hinter mir Gelächter hörte. Es war ein volltönendes Lachen, voller Fröhlichkeit, und es erinnerte mich an etwas. Ich drehte mich um – leider zu schnell. Ich prallte mit der Frau zusammen, die gelacht hatte, und schüttete die Limonade über sie.
    Ich wollte mich gerade entschuldigen, doch da knurrte jemand: »Pass auf, wohin du gehst.« Ich riss die Augen auf und sah mich Colin Vega gegenüber.
    Er stand neben der hübschen, brünetten Frau, mit der ich zusammengestoßen war. Sie hatte einen Limonadenfleck auf ihrem blau-weiß gemusterten Polohemd. »Sieh nur, was du gemacht hast«, sagte er und schaute mich herausfordernd an, als hätte ich etwas viel Schlimmeres verbrochen, als Limonade zu verschütten.
    »Ich mache es sauber.«
    »Gib dir keine Mühe, wir gehen«, knurrte er und ergriff den Arm der Frau. »Komm, Reggie. Das war ein Fehler.«
    Da sah ich es. Die Limonade rutschte mir aus den Händen und ergoss sich über mein Kleid und die Terrasse. »Dein Bein«, sagte ich. »Dir fehlt ein Stück vom Bein.«
    Er trug Shorts. Sein linkes Bein war unterhalb des Knies amputiert, und er trug eine Prothese.
    Die Brünette, die er Reggie genannt hatte, lächelte und drückte seinen Arm. »Ist er nicht toll? Man kann es beim Gehen kaum erkennen. Wenn er eine lange Hose anhat, sieht man gar nichts. Ich bin Regina.« Sie beugte sich vor und wollte mir die Hand geben, doch Colin drängte sich dazwischen.
    »Rede nicht mit ihr.« Er schlang den Arm um sie und zog sie mit sich, als

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