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Geisterblumen

Geisterblumen

Titel: Geisterblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Jaffe
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nicht hinaus. Ich kletterte um Althea herum und zog mich an ihrer Tür hoch. Dann suchte ich den Griff, stemmte mich gegen den Sitz und drückte dagegen.
    Sie rührte sich nicht.
    Nein
, dachte ich.
So darf es nicht enden, nicht noch ein Unfall. Es gibt noch so viel zu tun, so viel wiedergutzumachen. Ich bin nicht …
    Meine Finger tasteten wieder an der Tür herum, und ich konnte den Knopf hochziehen. Diesmal bewegte sich der Griff. Mit einem gewaltigen Stoß flog die Tür auf.
    Der Wagen war auf drei Seiten vom Feuer eingeschlossen, und obwohl schon Flammen an den Hinterreifen leckten, hatten sie noch nicht Altheas Tür erreicht. Ich drückte die Hände gegen die Türschwelle und zog mich hinaus, als kletterte ich aus einem Schwimmbecken. Dann schwang ich die Beine hindurch und legte mich neben der Tür flach auf den Bauch.
    Es gelang mir, von oben die Arme um Altheas Brust zu schlingen, doch ich konnte sie nicht herausziehen, der Gurt gab nicht nach. Das Knistern und Zischen des Feuers kam näher, und meine Augen brannten, als ich wie blind nach dem Gurtschloss tastete.
    Meine Fingerspitzen strichen darüber. Ich hielt Althea mit dem rechten Arm fest und drückte mit der linken Hand den Knopf. Sie fiel schlaff nach unten, und ihr Gewicht zog mich fast in den Wagen hinein.
    Ich spürte eine Flamme an der Wade. Ich atmete tief die glühende Luft ein und schaffte es, Althea halb aus dem Auto zu ziehen. Im nächsten Atemzug war sie endlich draußen. Ich fiel mit ihr nach hinten, auf den Boden, wobei ihr Kopf auf meiner Brust landete. Meine Arme zitterten vor Anstrengung, meine Lungen gierten nach Sauerstoff.
    Das Feuer loderte immer höher und kam näher. Ich dachte an Arthur, der noch im Wagen gefangen war, doch ich musste zuerst meine Großmutter vom Wagen wegbringen. Ich rappelte mich mühsam auf, nahm sie unter den Achselhöhlen und schleppte sie bergauf. Das Feuer folgte uns, als könnte es uns wittern. Der Rauch drang in die Lungen, meine Augen waren nur noch rußverklebte Schlitze. Ich konnte kaum sehen, wohin wir gingen. Irgendwie hatte ich mir den Knöchel verletzt, und meine Wade brannte bei jeder Bewegung.
    Die Flammen tanzten vor meinen Augen, und ich sah Gestalten in ihnen, zuerst meine Mutter,
dann Liza. Liza stand einfach da und beobachtete mich, ihr ganzer Körper war von Flammen
umgeben. Sie sagte: »Verstehst du jetzt, Ro? Es waren die Schuhe.« Und in diesem Moment verstand ich es wohl auch. Glaube ich jedenfalls.
Die Schuhe
, wiederholte ich.
Natürlich.
    Irgendwo im Hinterkopf hörte ich ein Heulen und dachte zuerst, dass ich es sei. Dann erkannte ich die Sirenen. Wir waren in der Nähe der Straße. Wir waren gerettet. Die Flammen schienen sich vor meinen Augen in eine Wolke aus tanzenden, orangefarbenen Schmetterlingen aufzulösen, und ich hörte jemanden lachen. Dann wurde ich bewusstlos.
     
    Als ich aufwachte, spürte ich ein schlimmes Brennen an meiner Wade, Schnitte an meinen Armen und Beinen und das verschwommene Gefühl, etwas herausgefunden zu haben, an das ich mich nicht mehr erinnern konnte. Der Arzt sagte, nach einem langen Schlaf werde es mir wieder gutgehen.
    Genau wie ich war Arthur wie durch ein Wunder mit Schnitten und blauen Flecken davongekommen, doch Altheas Zustand war ernster. Durch das Trauma hatte sie im Krankenwagen einen Herzinfarkt erlitten und musste sich einer Notoperation am offenen Herzen unterziehen.
    »Im Grunde war es ein Segen«, sagte der Arzt zu Bridger, Onkel Thom und mir, als wir uns im Wartezimmer des Krankenhauses aneinanderdrängten. »Ihr Herz war in einem furchtbaren Zustand. Ist Ihnen aufgefallen, dass sie sich in letzter Zeit anders verhalten hat? Launisch oder sprunghaft? Zerstreut oder vielleicht sogar wahnhaft?«
    »Wir hätten uns gewundert, wenn Mutter
nicht
launisch und sprunghaft gewesen wäre«, sagte Bridger. Der Arzt meinte: »Mir kommt so einiges zu Ohren.« Sie lachten herzlich, während ich innerlich kochte.
    Ich dachte daran, dass weder Bridger noch Onkel Thom wussten, dass Althea in der Tat anders gewesen war, launisch, vergesslich, wahnhaft. Und dass sie in nächster Nähe wohnten und so wenig übereinander wussten.
    Beide wirkten nicht sonderlich begeistert, als der Arzt abschließend erklärte: »Ohne den Unfall hätte sie einen schweren Herzinfarkt erleiden können, und dann wäre vielleicht keine Hilfe in der Nähe gewesen. So aber hat sie mit ein wenig Glück gute Aussichten, sich vollständig zu erholen.«
    Onkel Thom bot mir an,

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