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Geisterblumen

Geisterblumen

Titel: Geisterblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Jaffe
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Körperhaltung war angespannt und zornig.
    Ich hob die Hände. »Sie mag wie ich ausgesehen haben, aber sie war nicht ich. Was immer zwischen euch vorgefallen ist, hat nichts mit mir zu tun.«
    Sie hielt inne und starrte mich an, wobei sie den Ring an ihrem Finger drehte, als wollte sie sich damit beruhigen. Als sie wieder sprach, klang ihre Stimme ganz normal. »Du hast recht. Aber manchmal … erschreckst du mich.«
    Bridgette blieb die nächsten vierundzwanzig Stunden bei mir, so dass ich mir das Foto nicht mehr ansehen konnte.
    Ich lernte die Namen und typischen Merkmale der zehn Hunde, die Aurora im Lauf ihres Lebens besessen hatte (allesamt tot), während ich Red-Velvet-Cupcakes mit extra dickem Buttercreme-Guss aß (die mochte Aurora am liebsten). Alles, was ich über sie lernte, machte mich nur noch neugieriger auf ein Foto. Würden die Leute mich als Aurora akzeptieren? Würde es wirklich funktionieren?
    Für Bain und Bridgette gab es keine Karten, also machte ich mir in Gedanken selber welche. [am Leben, 23 , arbeitet für die Immobilienfirma der Familie, fähig, aber faul, Vermögen unbekannt]. [offenbar am Leben, obwohl das einzige Anzeichen dafür das Drehen eines Cartier-Rings ist, 21 , Auszeit an der University of Arizona, um Vater beim Wahlkampf für den Kongress zu unterstützen, nimmt nur Süßstoff, Vermögen unbekannt, aber anscheinend unzureichend, sonst würde sie dies hier nicht tun, denn Bridgette tut nichts ohne guten Grund].
    An meinem siebten Abend aß ich eine Tiefkühlpizza (mit Salami – die hatte Bain mir besorgt, als ich vor einigen Tagen um Fleisch gebettelt hatte; es war unser Geheimnis). Vor mir auf der Esstheke lag ein Jahrbuch der Sonora Heights Academy. »Das ist aus Bridgettes letztem Schuljahr«, erklärte Bain und nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Dann setzte er sich auf den Hocker neben mir. »Sie hat gesagt, du wolltest ein Bild von Ro sehen. Ro war damals im ersten Jahr, also ist ihre Klasse auch hier drin.«
    Mein Herz schlug schneller. Ich blätterte und suchte nach den neuen Schülern, blätterte zu weit und musste noch einmal von vorn anfangen. »Dann wäre Aurora jetzt in der letzten Klasse gewesen.«
    »Deshalb solltest du dir auch ein Bild von ihren Klassenkameraden machen, falls das Gespräch auf sie kommt.« Bain kippte rasch sein Bier hinunter. »Die Abschlussfeier ist am 14 . Juni, danach verschwinden die meisten in die Sommerferien. Wenn du erst eine Woche später nach Tucson kommst, dürftest du ihnen eigentlich nicht über den Weg laufen.«
    »Das ist clever. Bridgettes Idee?«
    Er wollte die Stirn runzeln, hielt dann aber inne. »Das war wohl ein Witz.«
    »Ach ja?«
    »Und noch eins. Kein Fleisch mehr.«
    Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte, aber als ich Auroras Klassenfoto schließlich entdeckte, war es keineswegs wie ein Blick in den Spiegel oder die Begegnung mit einer alten Freundin. Es war … irgendwie typisch, ein Mädchen mit langem, dunklem Haar, Mittelscheitel, Haarband, Strickjacke. Sie lächelte, aber nicht richtig, ihr Gesicht war so leer und nichtssagend wie eine Stammesmaske.
    Bain griff nach dem Jahrbuch und blätterte ein paar Seiten weiter, wo Fotos mit dem Titel »Außerschulische Aktivitäten« zu sehen waren, und schob es mir hin. Er tippte auf eine Abbildung, die zwei Mädchen auf Fahrrädern zeigte. Über ihnen hing ein Banner mit der Aufschrift
Superhelden beim Fahrradmarathon
.
    Eine von ihnen war als Catwoman verkleidet; sie trug einen schwarzen, hautengen Anzug mit Katzenohren, ein Katzenhalsband, und von ihrem Sattel baumelte ein langer Schwanz. Die andere war Wonder Woman in blauen Shorts mit aufgenähten weißen Sternen, einem roten T-Shirt mit zwei gelb glitzernden Ws und einem gelben Stirnband. Sie hatte die Fahrradgriffe mit gelbem Band umwickelt, um das Thema wiederaufzunehmen, und einen roten Glasstern auf den Lenker geklebt.
    »Aurora«, sagte Bain und deutete auf Catwoman. Es war beinahe ein Schock, sie hier zu sehen. Sie wirkte ganz anders als auf dem gesitteten Klassenfoto. Hier sah ihr Haar unter den Katzenohren wild aus. Sie trug einen dicken, schwarzen Lidstrich und lächelte selbstsicher und beinahe spöttisch, was sich auch in ihrer Haltung widerspiegelte. Das Kostüm schien nicht nur perfekt zu ihrem Körper, sondern auch zu ihrer Persönlichkeit zu passen.
    Angesichts dieses Selbstvertrauens und des herausfordernden Lächelns hätte ich angenommen, dass sie genau in die Kamera schauen würde, doch

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