Geisterblumen
teuerster ägyptischer Baumwolle.
Die Tennisplätze befanden sich zwischen dem Hauptgebäude und dem Gästehaus. Man konnte sie durch die Terrassentüren sehen, daher kannte ich die Richtung, doch sie befanden sich hinter einer Reihe großer Hecken. Noch bevor ich dort ankam, hörte ich das satte Ploppen von Tennisbällen, die aus einer Ballmaschine flogen und von Bain zurückgeschlagen wurden. Am Zaun blieb ich stehen, um ihm beim Spiel zuzuschauen. Er bewegte sich selbstsicher und zwanglos, sein Geschick war angeboren, nicht antrainiert. Das überraschte mich nicht – schwer vorstellbar, dass Bain für irgendetwas üben würde. Er war ein Mensch, der tat, was er wollte, sich aber keine allzu große Mühe damit gab.
Als er mich sah, drückte er auf eine Fernbedienung, worauf die Ballmaschine zum Stillstand kam. »Ich wärme mich nur auf.«
»Du meinst, du gibst an.«
»Vertrau mir, du wirst merken, wenn ich angebe. Mal sehen, was du kannst.«
Die nächsten neunzig Minuten waren eine endlose Vorführung dessen, was ich
nicht
konnte. Dazu gehörte: den Schläger richtig halten, den Ball mit der Vorhand treffen, den Ball mit der Rückhand treffen, den Ball über das Netz schlagen, Aufschlag, Volley und Punkte zählen.
Einmal bemerkte ich, wie Bain einen hoffnungsvollen Blick in Richtung des Gästehauses warf, doch wonach auch immer er Ausschau zu halten schien, es war nicht da. Also wandte er mir, ziemlich niedergeschlagen, wieder seine Aufmerksamkeit zu.
Es war eine Qual. Er spielte mir die Bälle zu, und ich schaffte es, immer an der falschen Stelle zu stehen. Als ich einmal nicht aufpasste, traf ich tatsächlich den Ball, und ein Strahlen ging über Bains Gesicht. Danach strengte ich mich mehr an, was jedoch den gegenteiligen Effekt hatte. Die meisten Bälle gerieten einfach zu lang oder zu kurz, bis auf einen, den ich gegen Bains Schulter schmetterte, dass er vor Schmerz aufschrie. Ich konzentrierte mich so sehr wie möglich und schaffte es, den Ball drei Mal übers Netz zu schlagen. Entweder war das die magische Zahl, oder Bain war mit seiner Geduld am Ende, denn nach dem letzten Mal sagte er: »Ich glaube, es reicht« und scheuchte mich zurück ins Gästehaus.
Als wir dort ankamen, saß Bridgette noch immer an der Theke, trank Kaffee und knabberte Toast. »Gutes Spiel?« Sie lächelte uns strahlend an.
Das war komisch. »Ich bin ein Naturtalent«, erklärte ich. »Frag mal Bains Schulter.«
Ich ging nach oben in mein Zimmer und blieb in der Tür stehen. Am Morgen hatte ich mich beeilt, das Bett nicht gemacht und das T-Shirt, in dem ich geschlafen hatte, einfach über das Sofa geworfen. Alles war so, wie ich es hinterlassen hatte, nämlich unordentlich.
Aber nicht ganz so unordentlich. Das T-Shirt sah aus, als hätte es jemand aus Gewohnheit gefaltet, wieder auseinandergefaltet und an eine etwas andere Stelle gelegt. Die Haare aus meiner Bürste waren entfernt und die Bürste dann wieder parallel zum Rand der Kommode platziert worden. Es war, als hätte jemand unauffällig das Zimmer durchsucht, meine Unordnung aber nicht ertragen können. Jemand, der es nicht so mit Unordnung hatte.
Ich lächelte in mich hinein, als ich bemerkte, dass eine Ecke des Betttuchs verrutscht war. Ich tastete unter der Matratze, fand meine Brieftasche und zog sie heraus. Mein Ausweis auf den Namen »Eve Brightman« war verschwunden. Während ich fieberhaft überlegte, wie ich darauf reagieren sollte, überprüfte ich mein anderes Versteck. Das immerhin war unberührt.
Ich zog mich aus und ging unter die Dusche. Mein Ausweis war bei Bridgette vermutlich besser aufgehoben, wäre ich erst in Silverton House. Ohne ihn konnte ich jedoch nicht von hier weg. Mir fiel kein anderer Grund ein, aus dem Bridgette ihn an sich genommen haben sollte.
Meine Phantasie war ziemlich unterentwickelt, wie ich noch erfahren sollte.
Eine Woche geschafft. Jetzt noch sieben
, sagte ich mir, als ich unter dem warmen Wasserstrahl stand.
Falls du so lange lebst
, flüsterte eine Stimme in meinem Kopf.
Nach diesem Sonntag wurde Bridgette freundlicher, und die Tage wurden monotoner.
Im Gästehaus gab es nur vier Bücher:
Wer die Nachtigall stört, Kriechtiere im örtlichen Arizona, Die Lieblingsrezepte der Junior League von Scottsdale
und die
Gelben Seiten
. Ich las die Nachrichten, die Leute in Bridgettes Jahrbuch hinterlassen hatten, doch sie gaben ebenso wenig her wie Bridgette selbst.
Ich fand Zeitschriften mit Titeln wie
Arizona Today,
Weitere Kostenlose Bücher