Geisterblumen
es sich im Grunde um eine schalldichte Glaskabine, die freischwebend über einer Hügelkante hing. Auf dem Hartholzboden waren sieben Hocker kreisförmig aufgestellt. In der Mitte befand sich eine große, steinerne Tafel, auf der die Buchstaben des Alphabets verzeichnet waren. Sie erinnerte an ein Ouija-Brett. Drumherum waren Kerzen aufgestellt, die flackerten, als wir hereinkamen. Coralee schloss die Tür, und der Lärm vom Partyservice verstummte.
Niemand sagte etwas. Die einzigen Geräusche waren das Zischen der Kerzen und der leise, kaum hörbare Gesang von Madam Cruz. Sie saß auf einem Stuhl mit gerader Lehne am Rand des Kreises, trug ein leuchtend rotes Kleid, rote Bänder in den geflochtenen Haaren und hielt die Augen geschlossen. Ihre Lider waren stark mit schwarzem Kajal geschminkt. Sie wiegte sich vor und zurück und gab ein seltsames, leises Summen von sich.
Etwas an der Atmosphäre stimmte alle feierlich, und wir nahmen wortlos Platz.
Wie aufs Stichwort wiegte sich Madam Cruz schneller. Ihre Augenlider zitterten und ließen das Weiß des Augapfels aufblitzen. Sie gab ein Keuchen von sich, und ihre Zunge zuckte im Mund herum, als spräche sie lautlos zehn verschiedene Sprachen gleichzeitig. Ihr Atem ging heftiger, schließlich keuchte und hechelte sie wie ein Tier. Sie entblößte die Zähne, ein Grollen drang aus ihrer Kehle. Dann riss sie die Augen auf, die Pupillen waren verschwunden und ihre Augäpfel schrecklich verdreht, so dass man nur noch das Weiße sah. So glotzte sie uns an und sagte mit einer Stimme, die eine Mischung aus Bellen und Knurren war: »Silverton, du gottverdammter Bastard.«
»Jay«, flüsterte Bain. Er war leichenblass geworden. Bridgette neben ihm verdrehte die Augen.
Madam Cruz zuckte mit dem Kopf und gab undefinierbare Geräusche von sich, von denen manche wie Wörter und andere nur wie Kauderwelsch klangen. »An dem Abend … wollte mich betrügen … Bastard.«
Stuart begann leise und langsam in die Hände zu klatschen. »Sie hat Jay erwischt.« Einige Leute lachten, aber Bain beachtete sie nicht.
»Kannst du mich hören, Jay?« Bain beugte sich so weit nach vorn, dass es beinahe komisch wirkte. »Das war ich nicht. Ich würde dich nie betrügen.«
»Doch«, zischte Madam Cruz und zeigte auf Bain. »Hat den Plan geändert … mich betrogen.«
»Jay, J. J., Mann, ich schwör’s dir. Und wegen der anderen Sache …«
Madam Cruz sprang von ihrem Stuhl hoch, streckte die Arme aus und legte die Hände um Bains Hals. »Bastard«, donnerte sie. Ihre Augen rollten wild in den Höhlen, Speichel rann ihr aus den Mundwinkeln. Die Stimmung im Raum war abrupt gekippt. Jetzt lachte keiner mehr, und Bain war ganz blass geworden. »Ich war da. Ich habe den Mund gehalten. Aber jetzt …« Ihre Hände schlossen sich so fest um seine Kehle, dass er rot anlief, keuchte und versuchte, ihre Finger zu lösen. »Ich habe nie gesagt …«
Sie würgte ihn vor aller Augen, und wir waren wie erstarrt, schauten entsetzt zu und konnten uns nicht bewegen.
Nur Grant. Er sprang auf und kauerte sich neben Madam Cruz, legte ihr die Hand auf die Schulter und sagte: »Alles in Ordnung, Jay.« Seine Stimme klang freundlich und beruhigend. »Du kannst jetzt gehen. Er weiß Bescheid. Er versteht dich. Lass ihn in Frieden. Es ist gut, Jay, lass es.«
Und als wäre Grant eine Art Geisterbeschwörer, lösten sich Madam Cruz’ Hände von Bains Hals, ihr Gesicht entspannte sich, und der Kopf sank ihr auf die Brust. Grant manövrierte sie zurück zu ihrem Stuhl. Bain kippte seitlich vom Hocker und blieb in Embryonalhaltung auf dem Boden liegen.
Er hustete noch und keuchte und hielt sich den Hals, als Madam Cruz die Augen öffnete und sich neugierig umsah. Unsere Gesichter mussten etwas verraten haben. »Hatten wir Besuch?«
»Jemand hat Bain als Bastard bezeichnet und versucht, ihn zu erwürgen«, erwiderte Bridgette trocken und betrachtete ihre Finger. »Aber wir müssen nicht bis ins Jenseits gehen, um Leute zu finden, die ihn gern …«
»Halt die Klappe«, knurrte Bain und rappelte sich auf. Er hatte eine Gewittermiene aufgesetzt und drehte sich mit geballten Fäusten zu Grant um. »Warum hast du dich eingemischt?«
Grant runzelte die Stirn. »Weil es aussah, als bekämst du keine Luft mehr.«
»Verdammt, Villa, kannst du dich nie um deinen eigenen Kram kümmern? Ich komme schon klar.«
»Hey, sorry, Mann … ich dachte, ich tue dir einen Gefallen.«
Bain beugte sich besorgt zu Madam
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