Geisterblumen
Cruz. »Können Sie ihn zurückholen? Ich muss ihn etwas fragen.«
»Ich … ich weiß nicht«, sagte sie. Die knurrende Kreatur war verschwunden, an ihre Stelle war eine freundliche Dame mit wässrigen, blauen Augen getreten. Der Kajal war ihr übers Gesicht gelaufen, und sie wirkte ziemlich erschöpft. »Wir gehen in die Zeit der Geister, sie kommen nicht in unsere.« Sie schaute sich um. »Willkommen«, sagte sie und lächelte munter. »Das war schon etwas, was?«
Wir stimmten alle zu.
»Man weiß vorher nie, was passiert. Manchmal kommen die Geister, ohne dass man sie gerufen hat, und manchmal muss man sie einladen. Sollen wir es noch einmal versuchen?«
»Ich würde wirklich gerne Jay noch einmal herholen«, drängte Bain.
Madam Cruz lächelte gelassen. »Das haben Sie bereits deutlich gemacht, Mr Silverton. Wir werden tun, was wir können.« Ihre Augen richteten sich wieder auf die Gruppe. »Ich möchte Sie alle bitten, aufzustehen und einander an den Händen zu fassen.«
Wir gehorchten. Ich stand zwischen Bridgette und Grant. Er war größer, als ich ihn vom Einkaufszentrum in Erinnerung hatte. Nun lächelte er zu mir hinunter, als er meine Hand ergriff. Sie war warm, und ich war plötzlich froh, dass er bei mir war.
»Sprechen Sie mir nach«, sagte Madam Cruz und schloss die Augen. »Mächte des Jenseits, wir flehen sehr.«
»Mächte des Jenseits, wir flehen sehr«, wiederholten wir.
»Bringt uns unsere Liebsten her.«
»Bringt uns unsere Liebsten her.«
Es war ein dummer Reim, der jedoch, als wir ihn im Chor sprachen, einen seltsam feierlich Klang bekam.
»Noch einmal«, befahl sie.
»Mächte des Jenseits, wir flehen sehr, bringt uns unsere Liebsten her.«
»Noch einmal«, kommandierte sie.
»Mächte des Jenseits, wir flehen sehr, bringt uns unsere Liebsten her.«
»Mehr«, schrie sie beinahe, und wir passten uns ihrer Lautstärke an, wurden mit jeder Wiederholung lauter.
»Mächte des Jenseits, wir flehen sehr, bringt uns unsere Liebsten her. Mächte des Jenseits, wir flehen sehr, bringt uns unsere Liebsten her.
Mächte des Jenseits, wir flehen sehr, bringt uns unsere Liebsten her.
«
»Stopp!«
Das Schweigen kam plötzlich, als hätte sich eine Falltür abrupt geschlossen. Madam Cruz riss die Augen auf.
In diesem Moment klingelte mein Handy.
25. Kapitel
» G eh ran«, befahl Madam Cruz.
Im Display stand
Unbekannter Anrufer
. Meine Hand zitterte, als ich das Handy ans Ohr hielt. »Hallo?«
Ich hörte jemanden atmen.
»Hallo?«, fragte ich noch einmal. »Wer ist da?«
Eine schwache, raue Stimme sagte: »Ro-ro.«
Meine Hand begann zu zittern. »Was?«
»Ro-ro«, wiederholte die Stimme. Sie klang klagend durch das Rauschen.
»Wer ist da? Wer ist denn da? Sag mir deinen Namen, sonst lege ich auf.«
»Nein!« Die Stimme klang flehend, heulte beinahe. »Bitte nicht … so einsam … hab dich vermisst. Ich … ich verzeihe dir, Ro-ro.«
Ich erstarrte. »Ich lege auf.«
»Liza«, sagte die Stimme in einem drängenden Flüstern. »Wer sonst? Hier ist Liza, Ro-ro.«
Vor mir sah ich das Mädchen auf dem Foto, dessen Augen sich für immer geschlossen hatten.
Und dann sah ich wieder das Mädchen in der Umkleidekabine, das mich im Spiegel angestarrt hatte.
Ich tastete nach meinem Hocker und setzte mich abrupt.
Es gibt keine Geister,
wiederholte ich stumm immer wieder. »Das ist nicht möglich. Du kannst nicht Liza sein. Liza ist tot.«
»Beste Freundinnen für …
immer
«, sagte die Stimme. »Das weißt du. Du hast … mich gesehen. Im Einkaufszentrum … im Spiegel.«
»Nein, das habe ich mir nur eingebildet.«
»Ich war da … bei dir … brauche dich …«
Das Geräusch verklang. »Hallo?«
Ich hörte ein Flüstern, wie von einem Windhauch, der über den Hörer strich. Ich drückte das Telefon fester ans Ohr. Die Stimme sagte: »Sie müssen … aufgehalten werden … bevor …«
»Bevor was?«
»Hilf mir … die Wahrheit … herauszufinden. Finde den … Mantel.«
Ich war mir nicht sicher, ob ich das letzte Wort richtig verstanden hatte. »Mantel?«
»
Sei vorsichtig!
« Die Stimme wurde höher und drängender. »Ich spüre … sie sind … da.«
Ich schaute mich im Zimmer um. Alle starrten mich an. »Ich verstehe dich nicht. Was soll ich tun?«
»Der Mantel … falls du …«
Bridgette entriss mir das Telefon. »Das ist kein Witz«, brüllte sie hinein. »Keiner findet das lustig. Lass meine Familie in Ruhe, sonst …«
Ein kühler Luftzug fuhr
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