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Geisterblumen

Geisterblumen

Titel: Geisterblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Jaffe
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aus wie ein Mörder.
    Aber jeder konnte einer sein.
    Ich verzeihe dir.
    Es gab ein Badezimmer zwischen Musikzimmer und Wohnbereich, aber ich lief daran vorbei die Treppe hinauf. Ich wollte allein sein, so weit weg wie möglich von den anderen. Ich ging ins große Schlafzimmer, lief über das endlose sibirische Weiß des Teppichs, schlüpfte ins dortige Badezimmer und schloss die dicke, hölzerne Schiebetür.
    Eine starke Hand hielt sie im letzten Moment fest, und mein Herz blieb beinahe stehen. Langsam wurde die Tür wieder aufgeschoben. Stuart Carlton kam herein und schob sie zu, bis sie mit einem Klick ins Schloss fiel.
    Dann lehnte er sich dagegen und grinste.

26. Kapitel
    S tuart ließ seinen verschleierten Blick auf mir ruhen und flüsterte: »Auf diesen Augenblick habe ich so lange gewartet.« Ich wich zurück, doch er folgte mir und drängte mich gegen die Wand.
    Ich stemmte mich fest gegen ihn, aber er war stärker. »Was machst du da?«
    Er lachte. »Das hier soll doch eine Rekonstruktion der damaligen Party sein oder nicht? Ich rekonstruiere alle Ereignisse.«
    Ich drückte die Arme gegen seine Brust und die Ellbogen nach außen. »Ich kann mich nicht erinnern, was an dem Abend passiert ist. An gar nichts.«
    »Es überrascht mich ein bisschen, dass du dich nicht an unseren Teil erinnerst. Aber gut, dann zeige ich dir eben, wie es war.« Er beugte sich vor und knabberte an meinem Hals.
    »Autsch.« Ich drehte mich weg.
    »Sehr gut, das hast du an dem Abend auch gesagt.«
    Ich kam mir vor wie ein gefangenes Tier. Unten würde mich niemand hören, wenn ich schrie,
und er stand zwischen mir und der Tür. Meine Gedanken drehten sich panisch im Kreis:
Ich bin gefangen … holt mich hier raus … ich bin gefangen.
    Er schien meine Angst zu spüren, und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Genau so hast du an jenem Abend auch ausgesehen. Du hattest damals auch Angst, oder?«
    Atme
, sagte ich mir.
Denk nach.
»Warum sagst du mir nicht, was wir zuerst gemacht haben?«, platzte ich dann heraus, um Zeit zu gewinnen. »Du weißt schon, äh, um mich in Stimmung zu bringen.«
    Ich sah, wie er schluckte, wobei sein Adamsapfel auf und ab hüpfte. »Nun, ich habe mich gegen den Waschtisch gelehnt und dich so an mich gedrückt.« Er zog mich näher heran.
    Ich wehrte mich, um mir ein bisschen Spielraum zu bewahren. »Und?«
    »Ich hatte meine Hände auf deinen Schultern, so, und ich habe gesagt, du sollst ein Handtuch nehmen, auf das du dich knien kannst, damit du …«
    »Was hatte ich an?«, unterbrach ich ihn, um das Gespräch in eine andere Richtung zu
lenken.
Ihn abzulenken.
»Weißt du das noch?«
    »Klar. Damit hat es ja angefangen. Ich war aus offensichtlichen Gründen hergekommen, und du hast in der Badewanne geschlafen. Kein Wasser, nur du in deinem Mantel, in dem du schon die ganze Zeit herumgelaufen bist.« Er warf einen liebevollen Blick auf die Badewanne. »Als ich hereinkam, bist du aufgewacht, und ich habe gesagt: ›Zeig mal, was du unter dem Mantel hast.‹ Und dann habe ich ihn aufgeknöpft und …«
    »Ich habe einen
Mantel
getragen? Im Juni?«
    »Ja, einen Trenchcoat. Sehr sexy. Und du hattest nicht gerade viel drunter an.« Er klang wie ein hechelnder Hund.
    Ich starrte über seine Schulter auf mein Gesicht im Spiegel. Und da bewegte sich etwas in mir, und ich konnte es mir auf einmal vorstellen …
    Aurora steht am Waschbecken und starrt in den Spiegel. Die Wimperntusche läuft ihr übers Gesicht, hinter ihr ist Stuart zu sehen. Seine Hände streifen ihr den Mantel von den Schultern, er drückt den Mund auf ihren Hals, die Finger auf ihre Brüste, drückt sie durch den dünnen Stoff ihres Sommerkleides. Ihre Augen werden groß, sie begreift, was gleich passieren wird. Sie will seine Finger lösen, aber er dreht sie herum, zu sich, und drückt sie mit einer Hand auf die Knie, während er mit der anderen nach dem Bund seiner Jeans tastet …
    In meiner Erinnerung blitzt ein anderer Mann auf, ein anderes Mädchen. Ein dämmriges Schlafzimmer, das nur vom Licht der Straßenlaterne erleuchtet wird und von dem Winnie-Puh-Wecker neben dem Bett. Der Mann drückt das Mädchen gegen die Wand. Sie windet sich und weint, fleht, er solle aufhören. Sie bettelt. Sie verspricht, niemandem zu sagen, was er getan hat, wenn er sie jetzt nur in Ruhe lässt.
    Der Mann lacht. »Wem willst du das denn erzählen, Kleine? Wer würde einer kleinen Hure wie dir glauben?«
    Sie reißt die Augen auf, als

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