Geisterbucht
Hundheit, liegst da fett und breit in der Sonne, du brauchst dich gar nicht zu wundern, wenn dich da jemand überfährt … Willst du nicht noch einen Donut? Komm, Hundchen, komm …«
Justus war also noch eine Weile beschäftigt. Kurz entschlossen sprang Peter in den Innenhof hinunter. Und wieder ein Fragezeichen – direkt auf die Tür gemalt.
Ein paar Handgriffe mit den Dietrichen, und die Tür war offen. Peter schlich hindurch und fand sich zwischen hunderten von Kisten und Containern wieder. Rechts war ein Büro. Die Tür stand offen – unvorsichtig!
Ob Bob hier irgendwo war? Peter ließ den Ruf des Rotbauchfliegenschnäppers ertönen; das war eins ihrer ältesten Geheimsignale überhaupt. Das Geräusch klang reichlich unpassend in der stillen Halle, und wenn sich hier jemand aufhielt, wusste er spätestens jetzt, dass sich jemand Zutritt verschafft hatte. Doch wenn Bob da war, wusste er, wer sich Zutritt verschafft hatte. Peter trat ein paar Schritte zurück, bereit zur sofortigen Flucht.
Aber alles blieb still. Staub tanzte im gedämpften Sonnenlicht, das durch Ritzen, Spalten und einige Fenster fiel, die Peter von hier aus nicht sehen konnte. Jetzt ging er aufs Ganze und betrat das Büro. Auf dem Schreibtisch stand ein Computer. Der Zweite Detektiv schaltete ihn ein, und während der Rechner hochfuhr, musterte er die Reihen der Ordner im Regal. Importe Indien, Importe Indonesien, Importe Japan, Importe Malaysia … Nichts davon sah interessant aus. Aber da stand noch ein weiterer Ordner, der mit Prinzessin betitelt war. Das pass-te nun so gar nicht zu dem Rest – es sei denn, Orient Import Glenview betrieb nebenher einen schwungvollen Handel mit Töchtern des internationalen Hochadels. Peter zog den Ordner heraus und blätterte darin. Kein Handelsverzeichnis – hier versteckte sich offenbar ein heimlicher Fan! Der Ordner enthielt mehrere Klarsichtfolien mit Fotos, auf denen immer dieselbe Frau, eine sehr schöne indisch aussehende Dame, abgebildet war. Einen Namen oder sonstige Erklärungen gab es nicht, aber Peter erkannte sie trotzdem sofort. Auf der letzten Seite war sie mit einem Ganzkörperporträt abgelichtet. Sie hatte die Haare kunstvoll hochgesteckt, trug ein eng anliegendes schwarzes Kleid, eine Kette aus Gold und Diamanten und um das linke Handgelenk einen ganzen Schwung brillantenbesetzter goldener Armreife.
Diese Frau hatte er schon einmal gesehen: auf dem Foto, das Mr Shreber geschickt worden war. Sie war die Vierte in der Runde der Kartenspieler.
Kurz entschlossen nahm er das Bild heraus, faltete es zusammen und steckte es in die Hosentasche, dann warf er einen Blick auf den Computer. Wie erwartet, verlangte dieser ein Passwort. Peter schaltete ihn wieder aus und verließ das Büro.
Er fand ein weiteres rotes Fragezeichen genau in der Mitte der Halle, wo ein freier Raum Platz für einen Tisch und vier Stühle gelassen war. Jemand hatte hier Karten gespielt und geraucht. Eine der Lagerkisten, die sich ringsum stapelten, war offen. Peter schaute hinein und sah, dass sie voller bunt bedruckter Seidenschals war. Zwei Plastikhüllen waren aufgerissen und beiseitegeworfen worden; die Schals dazu fehlten.
Das mochte etwas zu bedeuten haben oder auch nicht. Peter klaute einen zerdrückten Zigarettenstummel und das Kartenspiel, wickelte sie in eine der Plastikhüllen, stopfte alles in die Hosentasche und machte sich auf den Weg zurück nach draußen.
Er kam nicht weit. Plötzlich öffnete sich unter ihm der Boden und mit einem Schrei stürzte Peter in die Finsternis.
Neue Informationen
»Ich weiß wirklich nicht, ob ich darüber lachen oder weinen soll«, sagte Inspektor Cotta. »Es ist Sonntag, fünf Minuten vor Dienstschluss, ich freue mich auf einen ruhigen Abend nach einem unerfreulichen Tag, und prompt humpelt ihr hier herein, blutet mir das Parkett voll und erzählt mir, dass ihr in eine Lagerhalle der Firma Orient Import in Glenview eingebrochen seid und eine gefährliche Bestie auf die nichts ahnende Nachbarschaft gehetzt habt und dass Bob entführt wurde. Und zwar von ein paar dubiosen Leuten, die sich Rashura nennen, Dämonenmasken tragen, Giftanschläge verüben und gelegentlich Streifenwagen stehlen, wenn sie nicht gerade Häuser anzünden. Und statt damit zur Polizei von Waterside zu gehen, in deren Zuständigkeitsbereich das alles bis auf den Autodiebstahl fällt, kommt ihr zu mir. Allmählich verstehe ich, warum mein Vorgänger sich so sehr auf seinen Ruhestand gefreut hat.
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