Geisterfahrer
klopfte, drückte seine Fluppe aus und verschwand wieder. Einmal hatte mich Hotte genötigt, mit ihm in eine 24-Stunden-Kneipe zu gehen, nach Feierabend, und dort hatte er sage und schreibe vierzig kleine Biere getrunken, innerhalb von zwei Stunden, und das nach einer keineswegs alkoholfreien Schicht. Immerhin hatte er mir Geschichten erzählt, die spannend anzuhören waren, von Freiern, die ihre Hunde mit auf Zimmer nahmen, um sie am Sex teilhaben zu lassen, von Schießereien, Abzocke, Zuhälterkriegen, den fiesen Tricks der Schlepper, aber auch davon, dass er eigentlich gehofft hatte, in einer Reederei anzuheuern, um ein solides Leben anzufangen. Aber die Szene hatte ihn nicht losgelassen. Also hatte er aufgegeben. Lange würde er diesen Job nicht mehr machen können, und wie viele in der Branche verdrängte er alle Gedanken an morgen.
Einer der Griechen wurde von Geraldine in Richtung Tresen geschleppt; sie nahm einen Schlüssel vom Brettchen und zog den Mann durch den schweren Samtvorhang, der in der Tür zur Kellertreppe hing. Die Zimmer im Chateau Plaisir lagen im Untergeschoss, drei etwas muffig riechende, mit offenen Duschen ausgestattete Räume, die nicht gerade geeignet waren, die Phantasie anzuregen. Es gab riesige, schmucklose Betten, Handtücher, einen Stuhl für die Klamotten und in jedem Zimmer ein Ölgemälde über dem Bett – sich räkelnde Rubensfrauen. Dazu eine Lampe mit roter Glühbirne. Wer Sex wollte, bekam ihn und kein Jota mehr. Wobei. Wenn man mit Geraldine nach unten ging, war es gut möglich, dass man nicht einmal das bekam, genau genommen. Sie war Meisterin im »Pfanneschieben«, einer Technik, bei der man als Mann nur glaubt, in der Frau zu sein.
»Ain ehlisch Uhre iess ain schläschte Uhre«, sagte sie in ihrem gekünstelten Französisch-Akzent. »Männöhr wollän betrögenn werdön.«
Ein paar Minuten später kam sie wieder hoch, ein Handtuch um den Körper gewickelt. Sie legte zwei blaue Scheine hinter den Tresen, zog die dünnen, fast weggezupften Augenbrauen hoch.
»Arschficker«, sagte sie, ohne Akzent.
Der Summer ertönte wieder, Marla ließ »Suppe« herein, einen Spätfünfziger, der wie ich Stammgast war und der mit einem Verfahren für die Konservierung von Nudelsuppen ein kleines Vermögen gemacht hatte. Das versoff und verfickte er nun beinahe allnächtlich im Chateau, so, wie ich es mit den Resten meines kleinen Erbes, der Lebensversicherung meiner Eltern, tat. »Hallo, Großer«, sagte er freundlich zu mir. Suppe trug nur einen Bademantel. Er trank zu Hause teuren Ararak, armenischen Brandy, und wenn er genug intus hatte, rief er sich ein Taxi. Suppe setzte sich neben Jenny, Marla stellte ihr einen Piccolo hin, allerdings echten Champagner; Stammgäste wie ihn verärgerte man nicht mit umetiketiertem Apfelmost. Dass die Mädchen die Hälfte davon wegkippten oder in die Kübel mit Kunstpflanzen spuckten, das war eine andere Sache. Jenny nahm einen Strohhalm und befreite den Schampus mit routinierten Bewegungen von der Kohlensäure, Suppe nippte am Cognac. Mit der anderen Hand fuhrwerkte er in Jennys Schritt herum. Ihr Gesicht blieb teilnahmslos. Dieser Zustand würde sich auch unten nicht verändern.
»Wie ist es?«, fragte Babsi, als ich mein zweites Bier bekam. »Bist du nur zum Trinken und Blödglotzen hier?«
Babsi trennte sich schon auf der Treppe von ihrem Slip, im Zimmer zog sie mich in Lichtgeschwindigkeit aus, wir verzichteten auf Dusche, Gleitgel und Gummi. Sie kniete sich am Bett hin, murmelte etwas, das ich nicht verstand, führte mich geschickt ein, als wäre ich ein Dildo mit Gestell. Babsi stöhnte nicht, weil sie genau wusste, dass mir gekünstelte Geräusche zuwider waren, dafür bewegte sie sich, als wäre sie eine Balletttänzerin. Das sind sie alle. Tänzerinnen und Schauspielerinnen. Huren nur in zweiter Linie.
Bei der Zigarette danach sagte sie: »Ich glaube, langsam wird’s problematisch. Jenny ist nämlich in dich verliebt.«
Ich nickte, weil mich diese Neuigkeit nicht wirklich überraschte, und betrachtete meinen zurückgeschrumpelten, feucht glänzenden Schwanz.
»Da kann man nichts machen«, sagte ich.
»Nun.« Sie starrte an die Decke, vielleicht auf die schreckliche Lampe, ein Überbleibsel der Siebziger, hellgraues Plastik in Zylinderform, ein umlaufender Streifen Orange.
»Nun was?«
»Es ist ihr aber sehr viel ernster, als du denkst.«
3. Hurenherzen
Babsi ließ von mir ab, erhob sich elegant und stand einen Moment lang da, im Gegenlicht
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