Geisterfahrer
und schleimigen Kleinstunternehmern besorgte, spielte in diesem Zusammenhang keine Rolle.
Meine Augen brauchten ein paar Sekunden, um sich an das rötliche Halbdunkel zu gewöhnen. Die beiden Bildschirme über dem Tresen zeigten tonlose Pornos, durchsetzt von Störstreifen, weil die Videokassetten schon monatelang liefen; nicht nur gutaussehende Menschen bumsten einander rudelweise in allen denkbaren Stellungen und in alle denkbaren Öffnungen.
An einem der Tische saßen vier Endvierziger, die ich für Griechen hielt, sie starrten auf die Monitore. Geraldine, die eigentlich Simone hieß, saß mit an diesem Tisch, sie hatte ihre Hand im Schoß eines der Griechen, mit der anderen winkte sie mir fröhlich zu. Geraldine hatte die Form einer Kartoffel und ging auf die Sechzig zu, machte aber gerade mit jüngeren Gästen den meisten Umsatz im Laden. Vor den Griechen standen Bierflaschen, vor Geraldine eine Piccolo Apfelmost, die Werner mit einem orangefarbenen Veuve-Cliquot-Etikett beklebt hatte; die Etiketten besorgte ihm ein Kumpel packenweise. Am Tresen hockten Babsi und Jenny, die wirklich Barbara und Jenny hießen, sie nippten an Orangensaft, Babsi nickte mir zu, Jenny rührte sich nicht.
Sonst war der Laden leer. Werner stand hinter der Bar, kam jetzt aber hervor, umarmte mich kurz, wie Knastbrüder das vermutlich tun, jedenfalls verbrachte er dort von Zeit zu Zeit ein paar Monate, dann schlug er mir mit der Hand auf den Rücken.
»Siehst gut aus, Junge.«
Ich nickte. »Du auch, Werner.«
Das war gelogen. Werner sah aus, als hätte man aus einem gealterten Bryan Adams die Luft herausgelassen. Sein eingefallenes Gesicht war von tiefen Aknenarben durchzogen, seine braunblonden, kurzen Haare waren schütter, sein Bauch breiter als seine Brust, seine Beine kürzer als seine Arme. Der Puffinhaber war ein Mann, den man leicht unterschätzte, und das konnte gefährlich werden. Das Gleiche galt für Hotte, den vom Kehlkopfkrebs röchelnden Schlepper, der vor der Tür stand.
Ich setzte mich an den Tresen. Es lief eine Kassette, die ich aufgenommen hatte, ein Mitschnitt aus dem Ciro. Ich brachte die Tapes an, und dafür durfte ich umsonst trinken. Alles andere musste ich bezahlen – wie jeder hier.
Ich saß neben Babsi, zwei Hocker von Jenny entfernt, Marla stellte mir ein Bier hin. Babsi legte mir eine Hand auf den Oberschenkel.
»Wer wird heute Abend die Glückliche sein?«, fragte Marla, Babsi übte leichten Druck auf meinen Schenkel aus. Sie war eine schmale, aber großbrüstige Schwarzhaarige mit samtweicher Haut, von der jetzt ziemlich viel zu sehen war, denn sie hatte nur einen Slip an. Jennys Haare waren auch schwarz, aber im Gegensatz zu Babsis langer Mähne zu einem Pagenkopf geschnitten, sie war etwas flachbrüstiger, hatte aber Beine, die einen irre machen konnten. Wenn sie wollte. Jenny warf mir nur einen kurzen Blick zu.
Es summte, Marla ging zur Tür und kehrte mit Hotte zurück, der zur Begrüßung ein brachiales Husten durch den Laden schmettern ließ. Hotte war aus Hamburg nach Berlin geflüchtet, und er war ein guter Schlepper. Viele kamen aus Mitleid mit ihm in den Laden, aber er hatte diese verbindliche Art, die Menschen seines Schlages besitzen und die einen zweimal überlegen ließ, das freundliche Angebot abzulehnen. Vor allem, wenn er es etwas energischer vortrug. Weil man beim ersten Mal sicher nicht richtig zugehört hatte. Furchtsam um sich blickende Touristen im Studentenalter folgten ihm manchmal in den Puff, starrten mit weit aufgerissenen Augen auf die Monitore, und ihre Augen wurden noch größer, wenn Geraldine herantänzelte, ihren plumpsigen Prachtkörper im fahlen Licht drehte und irgendeine obszöne Bemerkung machte. Es war diese Ödipus-Geschichte. Irgendeiner von jenen Leuten ging immer mit Geraldine nach unten auf Zimmer, und meistens machten sie ziemlich belämmerte Gesichter, wenn sie wieder hochkamen.
Hotte drehte sich eine Zigarette mit Schwarzer Krauser, kurz darauf lag das Aroma des widerlichen Tabaks in der Luft. »Na, Jung«, krächzte er, Rauch ausatmend. »Schon gefickt?«
Ich schüttelte lächelnd den Kopf. »Noch unentschlossen.« Babsi erhöhte den Druck auf meinen Oberschenkel.
Hotte lachte rasselnd. »Geh doch mit beiden Mädels runter. Ich komme mit und zeig dir, wie’s geht.«
»Lass mal stecken, Hotte«, sagte ich und prostete ihm zu. Er kippte einen Klaren und ein kleines Bier, als würde er eine Pille nehmen, hustete kurz, wobei er mir auf die Schulter
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