Geisterfahrer
Chateau? Tausendundzwei Nächte? Oder doch lieber eine Feierabendzigarette über den Blumenkästen von Frau Stachel und dann ins Bett, ohne Umwege? Dieter zapfte mir einen abschließenden Piff, ich wechselte zum Tresen.
»Was machst du jetzt noch?«, fragte Linda, die sich neben mich gesetzt hatte und Sekt trank.
»Keine Ahnung.«
»Gehst du in den Puff?«
Ich hielt in der Trinkbewegung inne.
»Wohin?«
»Ach, Tim, tu doch nicht so.« Sie lächelte. »Man bekommt so einiges mit.«
»Aha.« Ich war überrascht, aber das war auch alles. Es störte mich nicht wirklich, dass sie das wusste.
Ich zuckte die Schultern.
»Dürfen Frauen auch in solche Läden?«
»Sicher«, sagte ich langsam, aber ich war nicht wirklich sicher.
»Würdest du mich mitnehmen?«
»In einen Puff? Was willst du da?«
»Einfach mal sehen«, erklärte sie kryptisch, wobei sie mich anlächelte.
Wir fuhren mit dem Taxi in die Villa Gigolo, ein großes Einfamilienhaus in Zehlendorf, dessen Wohnzimmer zu einer Bar umgebaut worden war, die restlichen sieben oder acht Räume waren mit großen Betten ausgestattet. Hier arbeitete ein gutes Dutzend Frauen, die meisten sahen sehr gut aus; alle trugen weiße, seidene Bademäntel und sonst nichts, das Publikum zahlte mit goldenen Kreditkarten, die Preise lagen deutlich über dem Durchschnitt, die Flasche Schampus, echter selbstverständlich, war obligat, bevor man überhaupt auf die Idee kam, das Wort »Zimmer« in den Mund zu nehmen, oder irgendwas sonst. Während wir im Taxi saßen, ich auf dem Beifahrersitz, was ich normalerweise nicht tat, und Linda im Fond, dachte ich darüber nach, was das zu bedeuten hatte, diese Nummer hier, und ich beschloss der Einfachheit halber, dass es schlicht nichts wäre. Ich würde nicht auf Zimmer gehen, sondern vielleicht ein, zwei Fläschchen Champagner spendieren. Vorausgesetzt, sie würden uns überhaupt reinlassen, zu zweit.
Es war kein Problem. »Das haben wir öfters«, erklärte der Typ an der Tür grinsend. Ich verkniff mir, ihn zu korrigieren, weil ich damit ausgelastet war, Linda zu folgen, die sich bei mir untergehakt hatte und mich erwartungsvoll lächelnd in die Bar zog.
Hinter dem Tresen stand eine Frau in den späten Vierzigern, aus irgendeinem Grund musste es in all diesen Läden eine Frau in diesem Alter geben, möglicherweise, um die Schönheit der deutlich jüngeren Kolleginnen zu unterstreichen. Oder um die Gäste zu zivilisiertem Verhalten zu bewegen.
»Was trinken wir?«, fragte ich.
»Was trinkt man hier?«, fragte Linda zurück.
»Champagner«, erklärte die Frau hinter dem Tresen, die Einzige, die nicht in Klamotten gewandet war, die keine Fragen offenließen, und zog eine Dreiviertelliterflasche aus dem Kühlschrank, auf der das orangefarbene Etikett klebte, das Werner für seinen Apfelmost benutzte.
»Teuer?«, fragte Linda.
Ich nickte. Mir war ein bisschen tüddelig.
»Die erste geht auf mich«, sagte sie lächelnd.
Die zweite tranken wir zu dritt, eine Frau hatte sich zwischen uns gesetzt, eine selbstverständlich schlanke, selbstverständlich langbeinige Schönheit, brünett, den Bademantel geöffnet, im Schritt rasiert. Mit der linken Hand massierte sie meinen rechten Oberschenkel, mit der rechten den linken von Linda, die das offensichtlich ganz gerne hatte. Mein kleiner Freund nahm den Aggregatzustand von gut durchgetrocknetem japanischem Eisenholz an, und ich hätte nicht sagen können, ob das an der Bademantelschönheit oder an Linda lag, die nunmehr ihrerseits eine Hand auf den Oberschenkel der Frau gelegt hatte. Sie hieß Beatrice. Natürlich hieß sie nicht wirklich Beatrice, aber sie hatte ja auch nicht wirklich Lust auf Sex mit mir.
Es war kurz nach vier, die beiden Frauen unterhielten sich angeregt, bis Linda sich plötzlich hinter Beatrice vorbei zu mir beugte und in mein Ohr flüsterte: »Was sagt man, wenn man möchte? Ich meine.«
»Auf Zimmer gehen?«, flüsterte ich zurück.
»Genau.«
»Man sagt es einfach. Ich möchte jetzt etwas machen. Oder so.«
Sie grinste, lehnte sich über den Tresen und sagte: »Ich möchte jetzt etwas machen. Oder so.«
Die Tresenfrau nickte. »Zu dritt?«
Linda überlegte einen Moment und nickte dann grinsend, fast ein wenig verschmitzt.
»Bist du einverstanden?«, fragte die Tresenfrau, die Frage war an Beatrice gerichtet.
»Klar«, sagte sie.
Wir torkelten unter viel Gelächter in den ersten Stock und machten es uns bequem, die Frauen auf dem Bett, ich auf dem Sofa davor; Linda wollte es so, und ich
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