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Geisterfjord. Island-Thriller

Geisterfjord. Island-Thriller

Titel: Geisterfjord. Island-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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zum Haus getragen hatten, war zwar noch Wasser, aber sie wollte den Kessel lieber ausspülen, bevor sie daraus tranken. Zur Sicherheit bat sie Garðar, hineinzuschauen und ihr zu sagen, ob womöglich eine tote Maus oder anderes Getier darin lag.
    Dann ging Katrín durch den dunklen, schmalen Flur zur Hintertür. Die Sonne stand noch am Himmel, aber es war kühler geworden, und der Wind hatte zugenommen. Katrín wollte schon umkehren, aber ihr Verlangen nach Kaffee war stärker.
    Am Fluss war es noch kälter. Katrín taten die Finger weh, als sie den Kessel mehrmals ins Wasser tauchte. Sie ging in die Hocke und balancierte mit einem Fuß auf einem Stein im Fluss und mit dem anderen am feuchten Ufer. Es hätte nicht viel gefehlt und sie wäre aus dem Gleichgewicht gekommen und ins Wasser gefallen. Allein der Gedanke daran reichte schon, dass sie den Kessel sauber genug fand. Sie hielt ihn in die Strömung und bewunderte die Schönheit des fließenden Wassers. Man konnte sich nichts Reineres als die glitzernde Wasseroberfläche vorstellen, als sei der Fluss aus flüssigem Edelmetall. Katrín sah ihr Spiegelbild in dem bewegten Wasser und war froh über die Strömung, damit sie die Farbspritzer in ihrem Gesicht und ihren Haaren nicht sehen musste. Der Kessel füllte sich, und Katrín richtete sich auf. Während sie darauf achtete, nichts zu verschütten, meinte sie, in der Spiegelung im Wasser eine Person hinter sich stehen zu sehen.
    »Líf? Garðar?« Katrín drehte vorsichtig den Kopf. Sie sah nur das ansteigende Land, das der Fluss auf seinem Weg ins Meer in zwei Hälften teilte, und schüttelte über ihre Dummheit den Kopf. Líf war natürlich noch in der Küche und suchte den Schinken, und Garðar beklagte sich über die Blase an seiner Ferse. Außerdem wäre er nicht so gemein, sie schon wieder zu erschrecken. Katrín schaute in den Fluss und sah dasselbe wie vorher: ihr eigenes verschwommenes Profil und die Umrisse einer anderen Person direkt hinter ihr. Unmöglich festzustellen, woher diese Sinnestäuschung kam. Sie drehte sich wieder um, sah aber genauso wenig wie beim ersten Mal. Die Sonne schien sie auf irritierende Weise zu narren, aber Katrín war zu müde, um dem auf den Grund zu gehen. Vielleicht war auch etwas im Fluss und nicht hinter ihr, eine andere Art von Kies auf dem Grund oder Wasserpflanzen, die sich bewegten. Sie riss sich los. Wenn sie so weitermachte, würde sie nie Kaffee bekommen.
    Als sie zum Haus zurückkam, stellte sie den Kessel vorsichtig auf die schräge Terrasse und ging zu der wilden Engelwurz auf dem Brachland. Während sie die ersten vertrockneten Stängel herausriss, erinnerte sie sich plötzlich an einen Schüler, der sich am letzten Schultag vor den Winterferien ziemlich bedrückt von ihr verabschiedet hatte. Der Junge war klein für sein Alter und hatte es schwer in der Klasse. Das kam zwar im ersten Schuljahr öfter vor, aber dieser Junge würde sich nur schwer anpassen können. Er war außergewöhnlich hübsch, blond und hellhäutig mit großen Augen, und als er in seinem dicken Anorak und mit dem viel zu großen Ranzen auf dem schmalen Rücken ins Klassenzimmer kam, waren es vor allem diese Augen, die Katrín fesselten. Aus ihnen schien eine tiefe Traurigkeit, die sie nur schwerlich mit dem ereignislosen Schultag in Zusammenhang bringen konnte. »Gehen Sie nicht«, sagte er. Sie legte den Korrekturstift auf die ungelenken Buchstaben im Arbeitsheft seiner Schulkameradin und lächelte den Jungen freundlich an. »Was meinst du? Ich gehe noch nicht nach Hause. Ich muss noch ein bisschen arbeiten.« Der Junge blieb wie angewurzelt stehen und umfasste die Gurte des Schulranzens mit seinen kleinen Händen. »Gehen Sie nicht zu dem bösen Ort. Sie kommen nicht zurück.« Katrín überlegte, ob er krank war und Fieber hatte, aber seine blassen Wangen deuteten nicht auf erhöhte Temperatur hin. »Ich gehe nicht an einen bösen Ort. Die mag ich nicht, ich will nur an guten Orten sein.« Der Junge stand weiter starr da, den Mund leicht geöffnet, so dass zwei weiße, zu große Schneidezähne im Oberkiefer aufblitzten. Dann sagte er mit derselben traurigen Stimme: »Fahren Sie nicht zu dem Haus. Sie kommen nicht zurück.« Er machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Klassenraum, ohne dass Katrín etwas Schlaues erwidern konnte. Der Junge hatte die Tür schon längst hinter sich zugezogen, als ihr auffiel, dass sie die geplante Reise in den Ferien mit keinem Wort vor der Klasse

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