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Geisterfjord. Island-Thriller

Geisterfjord. Island-Thriller

Titel: Geisterfjord. Island-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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rausgehen, aber vielleicht morgen, wenn es hell wird. Hier ist ja nicht so viel los, dass alles mit Fußspuren übersät sein wird. Stell dir vor, wir finden diesen verdammten Jungen, fesseln ihn und haben endlich Ruhe. Dürfen wir ihn töten, weil er den Mann, dem das Haus gehört hat, umgebracht hat?«, fragte Líf. Katrín hob die Brauen und spürte dabei die schmerzende Stelle an ihrem Scheitel. Líf war doch verrückt. Katrín überließ es Garðar, auf diesen Unfug einzugehen, und die beiden begannen, sich darüber zu streiten. Normalerweise langweilte es Katrín, Streitereien mit anzuhören, aber jetzt fand sie es angenehm. Es war so alltäglich und vertraut, fast so wie bei einem alten Ehepaar, das sich nie über etwas einig wurde. Katrín hatte noch nicht mal Herzklopfen, als sie auf einer morschen Brücke vorsichtig einen Flussarm überquerten, obwohl sie bisher schon allein bei dem Gedanken, ins eiskalte Wasser zu fallen, Panik bekommen hatte. Sie war zu sehr damit beschäftigt, Garðar zuzuhören, der sich erbost darüber ausließ, dass Fußspuren innerhalb kürzester Zeit wieder zuschneien konnten. Líf wollte das nicht glauben, und der Streit war noch nicht beigelegt, als sie plötzlich bei dem kalkweißen, zweistöckigen Haus ankamen, in dem früher der Dorfarzt gewohnt hatte.
    »Mann, sieht das unheimlich aus, wenn die Fenster so zugenagelt sind. Als hätte man dem Haus die Augen ausgestochen und Pflaster drübergeklebt.« Líf schüttelte sich.
    Sie standen schweigend da und starrten das Haus an. Katrín und Garðar fanden Lífs Beschreibung ziemlich zutreffend. Garðar durchbrach als Erster die Stille. »Hier kommt zumindest niemand rein, der keinen Schlüssel hat. Die Tür ist das Einzige, was nicht zugenagelt ist. Auch wenn sich dieses Kind geschickt verstecken kann, ist es bestimmt kein Einbruchskünstler. Die Tür sieht nicht so aus, als hätte sich schon jemand daran zu schaffen gemacht.« Obwohl Garðar zuversichtlich wirkte, machte er keine Anstalten, zur Tür zu gehen.
    Putti tippelte hektisch zwischen Katrín und Líf herum, was aber auch an der Kälte liegen konnte. Er sah furchtbar mitgenommen aus. Die Vorstellung, dass der arme Kleine fast erfror, ließ Katrín zur Tat schreiten. »Wer hat den Schlüssel?« Im selben Moment wurde ihr klar, dass keiner daran gedacht hatte, ihn mitzunehmen.
    »Ich laufe schnell zurück. Dauert keine Minute.« Garðar hörte nicht auf Katríns und Lífs leise Proteste. Sie wollten zwar beide nicht umkehren, ihn aber auch nicht gehen lassen. Aber einer von ihnen musste den Schlüssel holen, und es war sinnlos, großes Theater darum zu machen, wenn sich schon jemand freiwillig bereit erklärte. Die Frauen schauten Garðar hinterher, wie er mit seiner verletzten Ferse in die Dunkelheit hinaushumpelte, und fanden, dass er unglaublich schnell aus ihrem Blickfeld verschwand. Nachdem sie lange dagestanden und in die Finsternis gestiert hatten, ging Katrín zum Haus und legte ihren Schlafsack vor die Tür. Líf tat es ihr nach. Dann setzten sie sich auf die Terrasse, die viel besser aussah als ihre, und warteten auf Garðar und den Schlüssel. Putti stand neben ihnen und schnüffelte in der Luft.
    »Bitte nicht knurren.« Líf zog ihren Anorak fester um sich. »Ich kann es nicht mehr hören.« Der Hund hörte auf zu schnüffeln, drehte sich abrupt zur Hausecke und hielt inne. Das Haus stand viel näher am Meer als ihres, und die Wellen, die jetzt noch heftiger den Strand hinaufrollten, waren lauter. Ab und zu kam ein platschendes Geräusch hinzu, wie wenn jemand am Strand entlanglief. »Wie lange ist Garðar schon weg? Er müsste doch bald wieder hier sein, oder?« Líf schaute Katrín nicht an, da sie wusste, wie dämlich ihre Frage war. »Ich kann es nicht erwarten, reinzukommen und in meinen Schlafsack zu kriechen.«
    »Ich auch nicht.« Die Erschöpfung, die sich den Tag über aufgebaut hatte, brach hervor. Katrín spürte mal wieder, dass psychische Belastung genauso ermüdend sein konnte wie körperliche Anstrengung. Seit Garðar und sie Finanzprobleme hatten, war sie abends oft zusammengeklappt, und dann schienen die Probleme unüberwindbar und alles war hoffnungslos. »Ich glaube, es war richtig, dass wir umgezogen sind«, sagte sie. Dabei fiel ihr ein, dass sie kein Brennholz mitgenommen hatten und es ziemlich kalt im Haus werden würde. Aber immerhin war aus dem Schneefall, den Líf gespürt hatte, nichts geworden. »Wir haben nichts zum Heizen

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