Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geisterfjord. Island-Thriller

Geisterfjord. Island-Thriller

Titel: Geisterfjord. Island-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
Vom Netzwerk:
dabei.«
    Líf stöhnte, war aber sofort wieder still. »Na und? Ich bin schon froh, wenn ich reinkomme.«
    »Ich auch.« Katrín gähnte, hielt jedoch mittendrin inne, als Putti zu knurren begann. Er stand immer noch an derselben Stelle und starrte zur Hauswand. Als er verstummte, hörten sie ein deutliches Knarren. Líf tastete mit beiden Händen nach Katríns Arm und packte ihn.
    »Was war das?«
    Katrín befahl ihr, still zu sein, und lauschte. Es klang, als käme jemand um die Hausecke. Die Gelassenheit, die ihr so gutgetan hatte, verschwand im Handumdrehen, und Katríns Herz klopfte heftig. Sie hatte gehört, dass Tiere spürten, wenn es den Menschen in ihrer Nähe schlechtging. So war es auf jeden Fall bei Putti. Er geriet außer sich und bellte mehrmals laut. Das Knarren hörte auf.
    »Was sollen wir tun?« Lífs Stimme war anzuhören, dass sie am liebsten die Augen zugekniffen und gehofft hätte, dass alles von alleine vorüberging, und Katrín hatte dasselbe Bedürfnis. Sie ließ es sich jedoch nicht anmerken, sondern befahl Líf erneut, still zu sein, und versuchte, sich etwas einfallen zu lassen. Sie traute sich nicht, aufzustehen und um die Ecke zu spähen. Das Einzige, was sie tun konnte, war, Líf auf die Beine zu zerren und Garðar nachzurennen. Wie naiv von ihnen zu glauben, dass dieses Haus besser wäre.
    Putti drehte völlig durch und hüpfte bei jedem Bellen mit allen vieren in die Luft. Dann verstummte er urplötzlich und winselte erbärmlich, was noch schlimmer war als das Bellen – Ersteres vermittelte zumindest die Hoffnung, dass der Hund glaubte, es mit dem, was sich hinter der Hausecke verbarg, aufnehmen zu können. Das Winseln klang hingegen ganz anders. Katrín erhob sich vorsichtig und zwang Líf, ebenfalls aufzustehen. Sie flüsterte ihr ins Ohr: »Wir gehen langsam zur Treppe und rennen dann los. Die Sachen lassen wir einfach liegen.« Wie sie in ihrem Zustand rennen wollte, war völlig unklar – sie hatte schon Schwierigkeiten zu gehen.
    Vielleicht hatte der Eindringling sie gehört. Das Knarren setzte erneut ein und näherte sich ungewöhnlich schnell. Katrín starrte entmutigt auf die Hausecke. Sie war davon überzeugt, dass sie gleich ihren Verfolger erblicken würde. Das Einzige, was sie tun konnte, war, die Ecke der Hauswand zu fixieren. Líf war wie hypnotisiert. Als eine kleine Hand um die Ecke fasste, schrien die Frauen laut auf. Vier kreideweiße Finger. Die Hand verschwand genauso schnell, wie sie aufgetaucht war. Als Nächstes hörten sie hinter der Hausecke undeutliches Brabbeln. Sie verstanden kein Wort, es war wie ein Selbstgespräch, das nicht für andere Ohren bestimmt war. Man konnte unmöglich sagen, ob es sich um ein Mädchen oder einen Jungen handelte. Als Katrín der Gedanke durch den Kopf schoss, dass es ein total durchgeknallter Erwachsener sein könnte, der mit einer Kinderstimme sprach, sträubten sich ihr die Haare. Der Tonfall hatte nichts von kindlicher Fröhlichkeit und Unschuld, aber angesichts der Größe der Hand konnte es kein Erwachsener sein. Die Kinderstimme verstummte.
    »Was hat er gesagt?« Líf presste Katríns schmerzenden Körper so fest, dass ihr fast schwindelig wurde. »Was hat er gesagt?«
    »Psst!« Das Knarren hatte wieder begonnen und wurde von einem ekelhaften Gestank begleitet, der sich nicht genau beschreiben ließ – wie eine Mischung aus Algen und verdorbenem Fleisch. Die Stimme setzte wieder ein, diesmal lauter und deutlicher:
Geht nicht. Geht noch nicht. Ich bin noch nicht fertig.
    Mehr konnte Katrín nicht hören, denn Líf fing an zu schreien und hechtete zur Treppe, ohne sich noch einmal nach ihr umzusehen. Einen Moment lang stand sie alleine auf der Terrasse, zu betäubt, um Putti zurechtzuweisen, der wie verrückt bellte. Aber es gelang ihm nicht, die abartige Stimme zu ersticken, die grimmig sagte:
    Ich wiederhole: Ich bin noch nicht fertig.

16. Kapitel
    Freyr hatte dem Grundstück und dem Haus noch nie besondere Beachtung geschenkt. In seinen Augen war es nur eine Übernachtungsgelegenheit, an die er sich nicht binden wollte. Die meisten Möbel gehörten zum Haus und würden dort bleiben, wenn er auszog, ob zurück nach Reykjavík oder in ein anderes Haus in den Westfjorden, das er vielleicht kaufen würde. Im Moment verhielt er sich wie in einem Hotel, faltete seine Kleidung und legte sie in eines der Fächer im Schrank, in dem er auch seine Hemden und Anzüge aufhängte. Die Schubladen benutzte er nur sehr sparsam,

Weitere Kostenlose Bücher