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Geisterfjord. Island-Thriller

Geisterfjord. Island-Thriller

Titel: Geisterfjord. Island-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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stockte. »Wovon sprichst du?«
    »Ich wollte es dir eigentlich nicht sagen, aber es bedrückt mich wie ein Albtraum. Es ist deine Entscheidung, ob du mir die Wahrheit sagen oder weiter lügen willst. Es ist deine Entscheidung.«
    Freyr schwieg einen Moment. »Wenn du glaubst, dass ich was über Bennis Verschwinden weiß, liegst du völlig falsch.« Er war wütend – auf sie und auf sich selbst. Er war bei seinem Wagen angelangt, der auf dem Parkplatz vor dem Flughafen stand. Der kühle Wind beruhigte ihn ein wenig. »Wie zum Teufel kommst du darauf?«
    »Wenn ich von diesem Traum aufwache, der mich inzwischen jede Nacht quält, habe ich diese Gewissheit. Nichts, was du sagst oder tust, ändert etwas daran, also spar dir die Mühe.«
    »Worum geht es in diesem Traum, Sara?«
    »Es geht um Benni, worum sonst? Ich verfolge ihn, erreiche ihn nie, bin aber jedes Mal näher dran. Alles ist grün, die ganze Atmosphäre. Es ist schwer zu erklären, aber ich wache schweißgebadet auf und weiß, dass du an allem schuld bist. Mit deiner Lüge.«
    Freyr war sprachlos. Der Traum ähnelte auf beklemmende Weise den Träumen in Védís’ Tagebuch. Er hatte Angst, dass Sara merkte, wie sehr ihn ihre Worte erschütterten. Besonders das mit der Lüge. Diese Schuld musste er eingestehen.
     
    »Sie hat einfach keine Ruhe gegeben. Ich hoffe, das ist okay für Sie, aber ich dachte, ich informiere Sie besser, auch wenn Sie freihaben.« Die Altenpflegerin sah besorgt aus und hatte tiefe Augenfalten in ihrem jungen Gesicht. Sie stand mit verschränkten Armen vor ihm.
    Freyr lächelte und merkte, dass die Frau seine Anspannung als Ärger darüber, ins Altenheim gerufen worden zu sein, interpretierte. Was keineswegs der Fall war: Er hatte sich sogar über den Anruf gefreut, weil er seine eigenen Probleme in den Hintergrund drängte.
    »Kein Problem, es war völlig richtig von Ihnen anzurufen«, sagte er und versuchte, möglichst gelassen zu wirken. »Úrsúla will mich also unbedingt treffen, hat aber nicht gesagt, worum es geht?«
    Die Frau schüttelte den Kopf. »Nein, Sie wissen doch, wie sie ist. Nicht sehr gesprächig. Sie hat schon während der Morgenschicht davon gesprochen, aber ich bin erst später gekommen und weiß nicht, ob sie sich heute Morgen klarer ausgedrückt hat. Ich bezweifle es. Ich wollte Sie lieber holen, bevor die Nachtwache kommt, falls sie zur Beobachtung ins Krankenhaus muss. Wenn sie einen Anfall bekommt, wirken die Schlaftabletten womöglich nicht.«
    »Ich schaue am besten mal nach, was los ist.« Freyr legte die Hand auf die Klinke zu Úrsúlas Tür. »Ist sie heute draußen gewesen?«
    »Nein, davon will sie nichts hören. Sie verkrampft sich schon, wenn man nur vorschlägt, dass sie mal in den Flur gehen soll. Sie hat vor irgendetwas eine Wahnsinnsangst, will aber nicht sagen, wovor. Und solange sie nicht redet, können wir ihr diese Angst nicht nehmen.« Die Altenpflegerin ließ die Arme sinken und streckte sich. »Ich finde, ihr Zustand hat sich verschlechtert. Die kleinen Fortschritte, die wir am Anfang gesehen haben, sind leider nicht mehr da.«
    Freyr war nicht sehr überrascht; er hatte befürchtet, dass es so kommen würde. Schon länger hatte alles darauf hingewiesen, dass Úrsúla Rückschritte machen würde. »Ich komme noch mal vorbei, bevor ich gehe«, sagte er und öffnete die Tür. Die stickige Luft im Raum war fast greifbar. »Puh, kann man hier kein Fenster aufmachen?«
    »Das möchte sie nicht. Sonst regt sie sich sehr auf und wird unruhig.« Obwohl die Altenpflegerin Úrsúlas Reaktionen nicht näher schilderte, wusste Freyr genau, wie schwierig es war, mit ihr umzugehen. Man konnte von den Mitarbeitern nicht erwarten, dass sie sich wegen des Fensters durchsetzten. Er wusste noch nicht mal, ob er sich das selbst zutraute. Zumindest nicht in seinem momentanen Zustand.
    Freyr brauchte einen Moment, um sich an das Dämmerlicht zu gewöhnen. Er wollte das Licht nicht einschalten, aus Angst, Úrsúla zu verunsichern. Erst wollte er auf sie eingehen und dann versuchen, sie davon zu überzeugen, dass es ihr bei frischer Luft und mehr Licht bessergehen würde.
    »Hallo Úrsúla, mir wurde gesagt, dass Sie etwas mit mir besprechen wollen.« Vorsichtig ging er auf die Frau zu und passte auf, dass er nicht über einen Gegenstand stolperte. Wie beim letzten Mal saß sie am Fenster. Das trübe Licht der Straßenlaternen drang durch die dicken Gardinen, so dass Freyr ihre Umrisse erkennen konnte. »Ich

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