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Geisterhauch (German Edition)

Geisterhauch (German Edition)

Titel: Geisterhauch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Darynda Jones
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Finger mit meinen. »Wie ich mich kenne, war’s eine Überdosis.« Sie warf mir einen verschämten Blick zu. »Ich war kein guter Mensch, Charlotte.«
    »Ich bin sicher, du hast dir die größte Mühe gegeben. Offensichtlich ist noch jemand davon überzeugt, denn sonst wärst du sofort an besagten Ort gekommen. Aber du bist noch hier und vielleicht nur verwirrt.« Ich holte Mimis Bild hervor. »Hast du diese Frau schon mal gesehen?«
    Sie schaute genau hin und versuchte sich zu erinnern. »Sie kommt mir bekannt vor. Ich bin mir nicht sicher. Meistens achte ich nicht auf die Leute. Sie sind so weit weg.«
    »Wenn du dich entscheidest, doch noch hinüberzugehen, erlaubst du mir dann, in deine Erinnerungen zu sehen und nach ihr zu suchen?«
    Sie machte ein überraschtes Gesicht. »Klar. Geht das denn?«
    »Das weiß ich selbst noch nicht.«
    Sie lächelte mich an. »Was muss ich dafür tun?«
    Ich stand auf. »Du gehst durch mich hindurch. Der Rest passiert von selbst.«
    Sie atmete einmal tief durch und stand dann auf. Ihre Aufregung brachte die Luft zum Flimmern. Ich freute mich für sie. Sie hatte so einsam und verzweifelt gewirkt. Das war es vielleicht, was Rocket meinte: Viele der Zurückgebliebenen waren darauf angewiesen, dass ich auf sie zuging. Ich wusste nur nicht, wie ich das bewerkstelligen sollte, ohne pausenlos durch die Weltgeschichte zu reisen.
    Aber jetzt musste ich mich erst mal auf Loris Erinnerungen konzentrieren. Gerade als ich das dachte, machte Lori den Schritt nach vorn und hauchte: »Oh, mein Gott.«
    Ihr Leben rauschte mit voller Wucht auf mich zu. Von ihrer Zeit als kleines Mädchen, als ihre Mutter sie an einen Nachbarn verkaufte, um an ihren Schuss zu kommen, bis zur Highschool, auf der die anderen Mädchen sie an den Haaren zogen, wenn sie an ihr vorbei zu den Spinden gingen. Aber es gab nicht nur Trauriges. Ich sah sie einen Poesiewettbewerb gewinnen. Ihr Gedicht erschien in einer Lokalzeitung unter ihrem Foto. Sie war noch nie so stolz gewesen. Sie wurde clean und ging für ein Semester aufs College. Aber sie fiel schnell hinter die anderen zurück, und das lastende Gefühl des Versagens schlug wieder Wurzeln in ihr. Sie kehrte zu dem Leben zurück, das ihr vertraut war, dem Leben auf der Straße, wo sie sich für den nächsten Schuss verkaufte, bis sie in einem dreckigen Hotelzimmer an einer Überdosis starb.
    Doch das alles musste ich beiseitelassen und mich auf Mimi konzentrieren, bevor Lori ganz verschwand. Ich sah, wie sie das erste Mal in das Café kam. Sie setzte sich auf diesen Stuhl und machte ihn zu ihrem Stammplatz. Ich sah reihenweise Freier und dann Mimi, die voller Angst hereintaumelte und sich suchend umblickte.
    Sie setzte sich und wartete. Als ein Wagen nach dem anderen draußen vorfuhr, verlor sie die Nerven, schnappte sich einen Edding aus dem Ständer an der Kasse und eilte in den Toilettenraum. Eine Minute später betrat eine andere Frau die Toilette, und Mimi hastete zur Tür hinaus in die dunkle Nacht.
    Ich riss nach Luft schnappend die Augen auf und griff mir an die Brust. Es war, als tauchte ich aus dem Wasser auf. Völlig verblüfft setzte ich mich wieder auf meinen Platz. Es hatte geklappt. Ich hatte ihre Erinnerung durchsucht. Es dauerte ein paar Augenblicke, bis ich das Gesehene verarbeitet hatte, und ich musste gegen eine überwältigende Traurigkeit ankämpfen. Lori hatte ein schweres Leben gehabt. Aber so abgedroschen es klang, jetzt war sie an einem besseren Ort.
    Und ich hatte Mimi gefunden.
    Ich schaute Cookie an. Ein schmales Lächeln zupfte an meinen Mundwinkeln. »Eine Frage«, sagte ich atemlos.
    »Okay.«
    »Wenn du die Frau eines reichen Geschäftsmannes wärst, mit einer Riesenhütte und hinreißenden Kindern, die du mehr liebst als dein Leben – was wäre dann der letzte Ort, an dem dich jemand suchen würde?«
    Cookies Gesicht heiterte sich hoffnungsvoll auf. »Du hast sie gefunden?«
    »Ja.« Ich deutete mit dem Daumen über die Schulter.
    »In dem Obdachlosenasyl?«, fragte sie völlig ungläubig.
    Ich zuckte die Achseln. »Das ist doch perfekt. Unglaublich, dass ich nicht eher darauf gekommen bin. Wir hatten sie die ganze Zeit vor der Nase.«
    »Aber … Oh, mein Gott, okay, was machen wir jetzt?« Sie klatschte in die Hände, konnte sich vor Freude kaum bremsen.
    »Wir gehen ihr guten Tag sagen.«

17
    Das Schreckliche, das netten Leuten passiert, das bin ich.
    – T-Shirt-Aufdruck
    Ich warf im Vorbeimarsch einen Zwanziger auf die Theke.

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