Geisterhauch (German Edition)
Gleichgewicht verlor. Aufrichten war besonders fies.
Gerade als ich das Wasser abdrehen wollte, fühlte ich ihn. Glühende Hitze wallte mir entgegen, die Luft knisterte. Sein erdiger Geruch wehte heran und schloss mich ein. Ich atmete tief ein. Ich hörte seinen Herzschlag. Er vibrierte im Raum und pochte an meiner Brust. Es klang wunderbar, und ich konnte den Tag kaum erwarten, an dem er wieder persönlich vor mir stehen würde. In Fleisch und Blut. Der echte Reyes.
Er sagte keinen Ton und kam nicht näher, worauf ich mich fragte, ob er vielleicht noch andere Superkräfte hatte. »Kannst du durch den Duschvorhang sehen?«, fragte ich halb im Scherz.
Eine Klinge fuhr klirrend aus der Scheide und zerteilte die Stoffbahn, sodass sie zu Boden segelte. »Jetzt ja«, sagte er, grinste schief und brachte mein Herz aus dem Tritt.
Er schob das Schwert unter dem Umhang in die Scheide, dann verschwand der Umhang und enthüllte die Hügel und Täler seines festen Körpers. Er trug dasselbe T-Shirt, nur ohne Blutflecke. Aber ich wusste, wenn er wankte, wenn sein menschliches Ich wiedererwachte, wäre er wieder der schwer verletzte, blutüberströmte Mann. Bei dem Gedanken zog sich mein Magen zusammen, doch ich drängte ihn beiseite. Mir bot sich eine weitere Chance, ihn zu überzeugen, dass es besser war, mir sein Versteck zu verraten. Und es war nicht unter meiner Würde, ihn mit allem Möglichen zu bestechen oder eiskalt zu erpressen.
Ich drehte das Wasser ab und griff nach dem Handtuch. Er nahm es mir aus der Hand, sodass ich nackt und triefend dastand. Was ich nach Kräften ausnutzte.
»Ist es das, was du willst?« Ich breitete die Arme aus und zeigte mich ihm. Hoffentlich störte ihn der Superkleber nicht, aber das Zeug ging so schwer ab.
Mit hungrigem Blick trat er auf mich zu und nahm mich in die Arme. Doch dann hielt er inne, zögerte, blickte mir tief in die Augen, als gäbe es da etwas zu bestaunen. Er glitt mit den Fingerspitzen an meinem Kinn entlang, strich mit dem Daumen über meine Lippen. In seinen dunkelbraunen Augen sah ich goldene und grüne Sprengsel schimmern, bis er die dichten Wimpern senkte und mich küsste. Sein Mund war heiß, seine Zunge teilte meine Lippen und tauchte hinein. Er schmeckte dunkel und gefährlich.
Eine wandernde Hand umfasste meinen Hintern, als sein Mund sich von meinem löste und am Hals nach dem Puls suchte. Ich schauderte vor Wonne und musste meine ganze Willenskraft aufbieten, um ihm ins Ohr zu flüstern: »Du kannst mich haben, nachdem du mir gesagt hast, wo du bist.«
Er hielt inne, wartete bis sein Atem ruhiger ging, trat zurück und sah mich an. »Nachdem ich es dir gesagt habe.«
»Nachdem.«
Sofort wurde es in der Dusche merklich kälter. Ich hatte ihn verärgert, und im Nu war die Situation zwischen uns wieder festgefahren. Ständig dieses Hin und Her in unserer Beziehung – da bekam man ja fast ein Schleudertrauma.
»Du würdest deinen Körper benutzen, um zu bekommen, was du willst?«
»Ohne Zögern.«
Das kränkte ihn. Ich spürte es deutlich. Er näherte sich bis dicht vor mein Gesicht und flüsterte kaum hörbar: »Hure.«
»Du kannst jetzt gehen«, sagte ich, unfähig, den Schmerz zu unterdrücken, den seine Feststellung hervorgerufen hatte.
Er verschwand und ließ mich aufgewühlt, bitter und einsam zurück. Dann kam mir die Erleuchtung. Die Hure, äh, Prostituierte. Der Filmstar aus den Vierzigern. Wo hatte ich nur meine Gedanken?
»Cookie, schnell, wach auf!« Ich schüttelte sie, dass ihr die Zähne klapperten, dann sauste ich zu ihrem Kleiderschrank.
Sie schoss senkrecht in die Höhe und riss die Fäuste hoch wie eine Zeichentrickfigur. Wäre die Gehirnerschütterung nicht gewesen, hätte ich mich vor Lachen gebogen.
Aber ich kicherte. »Super Frisur, beste Freundin.«
Verlegen strich sie sich die Haare glatt und blinzelte mich an. »Was ist denn los?«
»Ich habe eine Idee.«
»Eine Idee?« Eine volle Minute lang schoss sie finstere Blicke auf mich ab, bis sie eine Trainingshose ins Gesicht bekam. Dann konnte ich nicht mehr an mich halten und hielt mir den Bauch vor Lachen. Rache war süß, besonders wenn sie eiskalt serviert wurde.
»Mit dem Zielen hast du’s nicht so«, meinte sie, zog sich die Hose vom Gesicht und offenbarte ein verschlafenes Stirnrunzeln.
»Ich ziele sogar perfekt.«
Mein Kopf stand kurz vorm Explodieren, als wir, um meinen Aufpassern zu entgehen, zur Hintertür raus und zum Parkplatz schlichen, wo Misery stand. Ich
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