Geisterhauch (German Edition)
alarmiert.
Reyes’ Antwort erleichterte mich ungeheuer. Er konnte jeden Augenblick sterben, während ich fürchtete, dass es schon passiert war. Ich wollte aufatmen, doch sein fühlbarer Zorn machte das schwierig. Ich hätte mir denken können, dass er noch am Leben war. Sonst wäre er nicht so zornig. Wen interessiert schon, ob sein Körper gefunden wird, wenn er erst mal gestorben ist? Aber der bloße Gedanke daran lag mir wie ein Stein auf dem Herzen.
Meine Furcht war mir offenbar anzusehen, denn Garrett neigte sich zu mir. »Charley, was ist los?«
Reyes warf nur einen kurzen Blick auf ihn. »Es soll die Schnauze halten.«
Also, das war wirklich grob. Die Jungs konnten nicht so richtig miteinander. Reyes war auf Garrett eifersüchtig. Grundlos. Zwischen uns spielte sich nicht das Geringste ab. »Er ist kein Es, Reyes«, sagte ich und legte es praktisch auf seinen Widerspruch an. »Er ist der beste Vermisstenfahnder von ganz New Mexico und wird mir helfen, dich zu finden.« Damit warf ich ihm den Fehdehandschuh hin, klang aber wie ein Drittklässler, der den Schulhofrowdy zum Showdown herausfordert. An der Schaukel. Um drei.
Als er Garrett ansah, breitete sich über Reyes’ Gesicht ein träges Lächeln aus. Er maß ihn mit einem Blick, dann wandte er sich mir wieder zu. »Wie geht es seiner Wirbelsäule?«
Mir blieb die Luft weg. Das war eine offene Drohung, von der er wusste, dass ich sie ernst nehmen würde. Um meinetwillen hatte er schon mehreren Menschen das Rückgrat durchtrennt. Warum nicht auch mal um seinetwillen? Ich wich zurück, und er kam mir nach, ließ nicht mehr als zwei Handbreit Abstand zwischen uns. Er würde nicht nachgeben. Er wusste, wie er mich einschüchtern konnte. Er war mit der Klinge so geschickt wie ein erfahrener Chirurg.
»Das kann doch nicht dein Ernst sein«, sagte ich und blieb stehen, da Zurückweichen nichts brachte.
»Wenn er auch nur daran denkt, mich zu suchen, wird sein letztes Jahr auf Erden … sehr schwierig werden.«
Seine Drohung war so feindselig, so endgültig, dass es mich innerlich zerriss. Ich hatte nicht geahnt, dass er so kalt sein konnte. Ich straffte die Schultern und reckte entschlossen das Kinn. »Na schön. Er wird nicht nach dir suchen«, sagte ich und sah den Triumph in seinen Augen leuchten. »Aber ich.«
Seine Selbstgefälligkeit verflüchtigte sich, und er blickte mich wieder drohend an.
Kühn trat ich dicht an ihn heran, drängte mich praktisch in seine Arme. Er nahm es hin, legte sogar die Arme um mich und wurde einen Moment lang sanft.
»Wirst du mir auch das Rückgrat durchtrennen?«, fragte ich und sah seinen Blick auf meinem Mund ruhen. »Rey’aziel?«
Jetzt war er geschockt. Er erstarrte. Seinem Gesicht war nichts anzumerken, aber ich spürte, wie stark der Name ihn aufwühlte. Er konnte meine und ich seine Emotionen wahrnehmen, und in diesem Moment hätten sie die Erde unter uns zum Beben bringen können.
Garrett sagte etwas, doch ich ging gerade unter in der Furcht, die Reyes’ braune Augen tränkte. Es war fast, als hätte ich ihn verraten, ihm ein Messer in den Rücken gestoßen. Aber hatte er das nicht auch mit mir getan? Und dabei war ich es, die gar kein Messer in der Tasche hatte.
»Woher kennst du den Namen?«, fragte er leise. Es klang gefährlich, als wäre es eher eine Drohung als eine Frage.
Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen. »Von einer Freundin«, sagte ich und betete, dass ich Pari damit nicht in Lebensgefahr brachte. »Sie sagt, sie hat dich mal beschworen, als sie noch klein war, und du hättest ihr fast ein Bein dafür ausgerissen.«
»Charley, ich will wirklich keinen Streit, aber vielleicht können wir das woanders fortsetzen.«
Das kam von Garrett. Er wollte offenbar den Anschein erwecken, als hätten er und ich eine Unterhaltung, damit es für die Leute auf der Straße nicht aussah, als würde eine Durchgeknallte Selbstgespräche führen. Ich blickte mich kurz um und entdeckte den einen oder anderen sonderbaren Blick und missbilligendes Stirnrunzeln. Die meisten Leute achteten aber gar nicht auf uns. Wir waren mitten in Albuquerque auf der Central. Da war solches Benehmen nichts Besonderes.
Als ich zwei Hände an meiner Schulter fühlte, die mich sanft an die Ziegelmauer neben einem Straßencafé schoben, konzentrierte ich mich wieder auf das Wesen vor mir. »Warst du das?«, fragte ich an unser Gespräch anknüpfend. »Hast du Pari die Wade aufgerissen?«
Er stützte beide Hände an die Hauswand
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