Geisterhauch (German Edition)
würde.
»Sie wissen also nicht, wer Dutch ist?«, hakte ich nach, um vielleicht noch etwas aus ihr herauszuholen.
»Einer der Wärter versuchte, das für mich herauszufinden. Ich hatte ihm eine stolze Summe angeboten, doch es kam nicht mehr dazu. Reyes kam mir auf die Spur, der Wärter wurde entlassen. Reyes ist sehr intelligent. Wissen Sie, er hat zwei Studienabschlüsse, beide im Gefängnis gemacht.«
»Wirklich? Das ist ja bewundernswert«, sagte ich und gab mich ahnungslos. Wenn sie merkte, dass ich mehr über ihn wusste, als ich zu erkennen gab, würde sie sich auf mich stürzen wie ein Pitbull, um alles aus mir herauszubekommen. Oder sie würde mir eine Geldsumme anbieten, bei der ich vielleicht nicht widerstehen könnte. Besonders jetzt, da Reyes sein Möglichstes tat, um sich bei mir unbeliebt zu machen. »Könnten Sie mir vielleicht den Namen Ihres derzeitigen Informanten nennen?«
»Oh, nein. Das wäre ein Vertrauensbruch. Und ich wurde bereits mit einer Unterlassungsaufforderung verwarnt. Ich kann nicht riskieren, dass dieser Mensch entlassen wird oder dass man mich verhaftet.«
War ihr nicht klar, was ein privater Ermittler tat? »Warum haben Sie mich gefragt, wie gut ich Reyes kenne?«
Sie lachte leise, ahnte nicht, dass ich sie am liebsten umgebracht hätte. »Reyes empfängt keine Besucher. Nie. Dutzende Frauen haben es schon versucht. Er bekommt mehr Post als der Präsident, liest aber keine einzige Zeile.«
Das machte mich zutiefst glücklich.
»Wirklich, das steht alles auf der Internetseite. Ich warne Neulinge, dass er sie weder sehen noch ihre Briefe lesen will. Doch jede denkt, sie wird diejenige sein, in die er sich verliebt. Sie müssen es vermutlich versuchen. Ich kann es ihnen nicht verdenken. Von allen Frauen, die es versucht haben, bin ich die Einzige, die ihn gesehen hat.«
Ich fühlte bis ins Mark, dass sie log. Sie hatte ihm noch nie gegenübergestanden. Auch das machte mich zutiefst glücklich.
»Aber wie sind Sie auf Reyes gekommen?«, fragte sie, nun doch misstrauisch wegen meines Besuchs.
»Oh, ich arbeite an einem Fall, und sein Name tauchte auf.«
»Tatsächlich? In welchem Zusammenhang?«
Ich riss mich von dem Foto los und wandte mich ihr zu. »Darüber darf ich nicht sprechen. Aber ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen.«
»Fragen?«
»Ja. Wissen Sie, wo er sich derzeit aufhält?«
Sie bedachte mich mit einem geduldigen Lächeln. »Natürlich. In einer Pflegeeinrichtung in Santa Fe.«
»Oh«, sagte ich. Cookie warf mir einen Seitenblick zu, mit dem sie mich ermunterte, die Frau auf ihren Platz zu verweisen. Ein bisschen wenigstens. »Die lebenserhaltenden Maßnahmen sollten vergangene Woche eingestellt werden.«
Diesmal erstarrte sie. Ich hatte sie überrascht, und es dauerte einen Moment, bis sie sich wieder fasste. »Ich bedaure, meine Quellen haben mir etwas anderes berichtet«, sagte sie, ihre falschen Wimpern flatterten.
»Dann brauchen Sie neue Quellen. Es war beschlossen, ihn sterben zu lassen, Miss Oake. Kurz vorher ist er zu sich gekommen und kurz darauf verduftet.«
»Er ist geflohen?«, fragte sie mir schriller Stimme. Das machte mehr Spaß als erwartet. Und ihre Überraschung war echt. Sie wusste nicht, wohin Reyes mit seinem Körper verschwunden war. Ich schwankte zwischen Freude und Kummer. Wir waren seinem Versteck keinen Schritt näher gekommen. Elaine ging zu einem Stuhl. Offenbar hatte sie weiche Knie. Ich wandte mich derweil noch einmal den beschriebenen Blättern zu.
Vor allem dem mit der Zeichnung, die aus meinem Namen bestand und ein Gebäude darstellte. Ich betrachtete es genauer und schnappte leise nach Luft.
»Das ist ein altes Bauwerk«, sagte Elaine von hinten. »Wir wissen nicht, wo es steht. Irgendwo in Europa, vermuten wir.«
Ich drehte mich zu Cookie um und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die Vitrine. Sie zog die Stirn kraus, dann kam sie langsam, scheinbar gleichgültig näher. Als sie neben mir stand, warf sie einen Blick auf das Blatt und erkannte es ebenfalls.
»Da haben Sie bestimmt recht«, sagte ich. »Es sieht europäisch aus.« Stand aber in Albuquerque, und Cook und ich wohnten darin.
Mein Blick wanderte zu den Ansichtskarten. »Darf ich mal sehen, wo die abgeschickt wurden?«
Elaine fächelte sich eifrig Luft zu. Sie stemmte sich vom Stuhl hoch und kam um die Vitrine herum, um sie zu öffnen. »Glauben Sie, dass er hinter mir her ist?«, fragte sie, als sie mir die Karten hinhielt.
»Warum sollte er?«, fragte
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