Geisterhauch (German Edition)
gingen in Santa Fe ins Cowgirl Café und aßen schweigend. Dabei studierten wir die Schriftstücke und Fotos, die wir uns von Elaine beschafft hatten – besonders die körnigen. Wir waren ziemlich sprachlos. Dann fuhren wir auf demselben Weg nach Hause.
»Ich werde die Akte Hana Insinga durchgehen«, sagte Cookie, als wir auf den Parkplatz vor unserem Haus einbogen.
»Gut, dann kümmere ich mich ums Büro und sehe nach, ob jemand eine Nachricht hinterlassen hat. Und es gibt bestimmt irgendwas zu tun.«
»Okay.« Wir waren beide mit den Gedanken woanders, in Sorge um Mimi und Reyes.
Während ich zu Dads Bar hinüberging, merkte ich, dass ich in eine leichte Depression gefallen war. Wer brauchte schon PMS , wenn er Farrow hatte? Stimmungsschwankungen gehörten offenbar zum Job. Doch ich kam nicht an der Tatsache vorbei, dass ich Reyes den ganzen Tag nicht gesehen hatte. Nicht einmal. Und seine Verletzungen, schon das Wenige, das ich davon gesehen hatte, waren lebensgefährlich, selbst für jemanden mit unmenschlichen Selbstheilungskräften.
War er in der Nacht gestorben, während ich in meinem warmen Bett lag? Ich hatte unruhig geschlafen, war aber nicht gefoltert worden. Oder vielleicht war er gestorben, während ich heute Morgen mit den drei Stooges Kaffee trank oder mit der Knackitusse beim Tee saß.
Aber im Ernst, wie lange konnte er das durchhalten? Bei ihm heilte alles schneller als bei gewöhnlichen Menschen, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass er mit diesen Wunden auch nur zwei Stunden überlebte.
Ich durchquerte die Bar. Dad war nirgends zu sehen. Ich überlegte kurz, ihn zu suchen, doch beim Eintreten hatten sich zwei tote Typen mit eiskalten Bierkrügen in der Hand nach mir umgedreht, darum huschte ich zur Treppe, ehe sie ihre nicht existenten Chancen bei mir nutzten, mich anzubaggern. Ich hörte den Anrufbeantworter ab und schaute meine E-Mails durch, dann gab ich den Namen in die Suchmaschine ein, der mir so viele schlaflose Nächte, heiße Träume und verbotene Fantasien beschert hatte. Ich klickte auf »Suchen«, und ungefähr drei Sekunden später wurde eine Reihe von Webseiten aufgelistet, auf denen der Name Reyes Farrow prangte.
Ich wollte sehen, wie viel diese Frauen wussten. Wussten sie, wozu er imstande war? Kannten sie seine Herkunft? Wussten sie, wie er sich eine heiße Verabredung vorstellte?
Die Stunden vergingen wie im Flug.
Am Ende zog ich zwei Schlüsse. Erstens, niemand hatte einen blassen Schimmer, wer Reyes wirklich war. Zweitens, es gab verdammt einsame Frauen auf dieser Welt. Zuvor machte ich Zustände von verzehrender Eifersucht über blankes Staunen bis zu vagem Mitgefühl durch. Reyes wirkte wie ein Magnet. Sein Blick war auf sämtlichen Bildern geradezu hypnotisch. Er war der geborene Herzensbrecher. Kein Wunder, dass ihn die Frauen scharenweise begehrten und sich trotz seines Verbrechens nach ihm sehnten.
Allerdings stieß ich auf Elaine Oakes Seite auch auf eine Textstelle, die mich sprachlos machte. Von daher war es gut, dass sich Mr Wong selten mit mir unterhalten wollte. Na ja, eigentlich gar nicht. Ich war so verblüfft, dass ich kein Wort herausgebracht hätte. Sie fand sich unter der Rubrik »unbestätigte Gerüchte« und erklärte eine Menge:
Es ist lediglich ein Gerücht, und wir von »Reyes Farrow unzensiert« sind skeptisch, doch es heißt, dass Rey eine kleine Schwester hat. Eine gründliche Durchsuchung behördlicher Datenbestände deutet auf das Gegenteil hin, doch wir alle wissen, was ein verschwiegener Mann ist. Wie immer ist bei Reyes Farrow alles möglich.
Sie schrieb wie eine Klatschkolumnistin. Dadurch also hatten die U. S. Marshals Reyes’ Schwester gefunden. Doch wie war Elaine darauf gekommen?
Ich war tatsächlich ein bisschen verwundert, dass von den Geschichten, die Neil mir erzählt hatte, nichts durchgesickert war. Bestimmt hätte Elaine für solche Details ein kleines Vermögen ausgegeben. Vielleicht hatte Neil die Vorfälle vertuschen können. Ich nahm mir vor, ihn danach zu fragen.
Ehe ich mich versah, schlug die Glocke drei. Bildlich gesprochen. Ich war seit der Twilight-Zone -Nacht vor ein paar Wochen nicht mehr so lange aufgeblieben. Schaudernd dachte ich daran, wie viele Tassen Kaffee ich, um meine Sorgen zu ertränken, in den letzten paar Stunden gekippt hatte. Was das unkontrollierte Zittern erklären mochte, das mich befallen hatte. Hoffentlich würde ich überhaupt noch schlafen können.
Ich beschloss, erst mal unten
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